Kapitel 8 – Betriebsrat und Mitbestimmung in der Plattform-Ökonomie

Inhaltsverzeichnis

Mag. Hannes Schneller

Die Gig- und Plattform-Ökonomie orientiert sich nicht an den bisherigen Betriebs- oder Unternehmensgrenzen. Auch versucht sie in aller Regel zu vermeiden, dass Arbeitsverhältnisse entstehen. Zwei zentrale Konstanten des Mitbestimmungsrechts scheinen zu fehlen: der örtliche Bezugsrahmen Betrieb sowie der personelle Bezugsrahmen und Geltungsbereich, der die „im Rahmen des Betriebs“ beschäftigte Belegschaft erfasst.

Wie dieses Kapitel jedoch zeigt, bestehen schon nach geltendem Recht einige arbeitsrechtliche Handlungsspielräume, um den Kollektiven der betroffenen Beschäftigten und ihren kollektiv-arbeitsrechtlichen Repräsentanten (Betriebsrat, Gewerkschaft, Arbeiterkammer) Instrumente zur Mitgestaltung der Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen in die Hand zu geben. Das zentrale Gesetz der österreichischen Mitbestimmung, das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 (ArbVG), wurde zwar in einer Phase des Übergangs von der Industrie- zur Dienstleistungswirtschaft geschaffen, die weitsichtig gewählten Formulierungen der rund 30 Mitwirkungs-Paragrafen des ArbVG ermöglichen aber dennoch gewisse Anwendungen auf die unterschiedlichen Organisationsformen der digitalen Arbeitswelt.

Auf der Grundlage des bestehenden Rechts („de lege lata“) werden diese Mitbestimmungsansprüche jedoch nicht ausreichen. Es bedarf einer Anpassung des kollektiven Arbeitsrechts an die gegenwärtigen und künftigen Erscheinungsformen sowie Mechanismen der Gig-Economy. Diese wird ja über technisch rasch veränderbare Internet-Plattformen organisiert und abgewickelt. De lege ferenda, aus der rechtspolitischen Zukunftsperspektive also, sind zentrale Fragen:

  • In welchen Räumen der Arbeitsorganisation sollen RepräsentantInnen für welche Gruppen von Beschäftigten zuständig sein?
  • Welche kollektiven Rechtsansprüche, also Mitwirkungsrechte, sind für die Interessenvertretung der im World Wide (!) Web beschäftigten „Belegschaften“ erforderlich?
  • Wie kann die Entwicklung vom Betriebsrat zum Plattformrat gelingen?

1. Von der Fabrikordnung 1848 zur Gigwork-Vereinzelung

Die geltende Betriebsverfassung, der größte Teil des ArbVG also,[1]§ 33 bis § 134b, inklusive der Europäischen Betriebsverfassung bis § 263 ArbVG 1974. regelt die „Befugnisse der Arbeitnehmerschaft“ sowie das Wahl- und Organisationsrecht ihrer Vertretungsorgane (Betriebsrat, Zentralbetriebsrat, Konzernvertretung, Europäische Belegschaftsvertretung und einige weitere). Gleich nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde dieser Rechtsbereich nach dem Vorbild der 1896 und 1919 geschaffenen Mitwirkungsgesetze (vor allem Bergbau-Betriebsvertretung 1896, Betriebsrätegesetz 1919, Einigungsämter- und KollV-Gesetz 1920) wieder eingesetzt in Gestalt des Kollektivvertragsgesetzes 1947 und des Betriebsrätegesetzes 1947. Diese beiden kollektiv-arbeitsrechtlichen Gesetze wurden schließlich zusammengeführt, erweitert und kodifiziert im ArbVG 1974.[2]Zur Geschichte des ArbVG vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015) 31 ff. Was aber waren die Vorläufer dieser „republikanischen“ Gesetze gewesen?

Während der Revolution von 1848 hatte sich das „Gesamtdeutsche Parlament“ in der Frankfurter Paulskirche mit einem Gesetzentwurf für eine Fabrikordnung befasst; das war vermutlich die weltweit erste staatliche Mitbestimmungs-Initiative. Die unterste Stufe sollte ein Fabrikausschuss bilden, der paritätisch aus FabrikarbeiterInnen und WerkmeisterInnen (ein/eine VertreterIn aus jeder Abteilung, beide gewählt von den ArbeitnehmerInnen) sowie dem/der InhaberIn der Fabrik zusammengesetzt sein. Zu den Aufgaben des Fabrikausschusses hätte es gehört, bei Streitigkeiten zu schlichten, eine Fabrikordnung (Vorläufer der heutigen Betriebsvereinbarungen) zu erarbeiten und die Krankenunterstützungskasse zu verwalten. Von den Fabrikausschüssen gewählte Fabrikräte sollten auf Ebene der Gewerbebezirke agieren. Fabrikschiedsgerichte sollten der Beilegung von Streitigkeiten dienen. Diese Pläne blieben jedoch Makulatur; sie wurden im Zuge der ab 1850 einsetzenden Reaktion nicht mehr weiter verfolgt.[3]Näher zur Geschichte der Mitbestimmung siehe Müller-Jentsch auf der Website der Hans-Böckler-Stiftung, http://www.boeckler.de/20376_20381.htm (17.10.2016).

Seit 1919 waren jedenfalls „der Betrieb“, subsidiär „das Unternehmen“ sowie „der innerstaatliche Konzern“ die zentralen Organisationsräume für die „selbstverwaltete Vertretung“ der Belegschaft. Diese drei Anknüpfungspunkte – die letztlich physisch, örtlich und organisatorisch identifizierbar sind – wurden nun das nach dem Typus der Fabrik oder der Verwaltungsstelle (Kanzlei, „Bureau“ oÄ) verortete Denkmuster für die Idee der kollektiven Interessenvertretung.[4]Siehe dazu Risak, Individuelles und Kollektives im Betrieb, in Kietaibl/Schörghofer/Schrammel, Rechtswissenschaft und Rechtskunde (2014) 129 (133).

1.1 Die betriebsverfassungsrechtliche Einbeziehung von Randbelegschaften

Die Zuständigkeit der betrieblichen Interessenvertretung für ihre „KollegInnen außerhalb des Betriebs“ (Außendienst, Montage, sonstige dauerhafte Abwesenheit vom Betrieb) ist grundsätzlich gegeben, sofern diese Personen in die betriebliche Organisation eingegliedert bleiben. Der Status als betriebsverfassungsrechtlicher/betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerIn und Betriebsbelegschaftsmitglied (§ 36 Abs 1 ArbVG) bleibt nach stRsp trotz weit entferntem Arbeitsort gewahrt, wenn Weisungen, Kontrolle und andere Merkmale der persönlichen Abhängigkeit oder der organisatorischen Eingliederung vom Betrieb ausgehend erfolgen; insbesondere, wenn die Personalverwaltung und die Lohnverrechnung, zB eines Außendienstmitarbeiters/einer Außendienstmitarbeiterin, weiterhin aus dem inländischen Betrieb abgewickelt werden.[5]Näher zu Judikatur und Lehre siehe im Abschnitt „Geltendes Recht: Kollektive Mitwirkung in der Gig-Economy“. Der Geltungsbereich eines Sozialplans (dh einer für den österreichischen Betrieb abgeschlossenen Betriebsvereinbarung) erfasst auch im Ausland tätige ArbeitnehmerInnen des Betriebs, solange sie nur organisatorisch Teil desselben sind.[6]OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 18; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 10. Nähere Ausführungen unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Für zuarbeitende Arbeitskräfte in Heimarbeitsverhältnissen ist seit der Stammfassung des ArbVG 1974 deren Einbeziehung in den „Schutzraum“ des Betriebs vorgesehen gewesen, obwohl diese im Regelfall freie DienstnehmerInnen oder WerkvertragsnehmerInnen sind.[7]Vorausgesetzt sie sind nicht Gewerbetreibende. Näher Trost, Heimarbeit, DRdA 1992, 25; Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 39 f. Zum betriebsverfassungsrechtlichen Status siehe Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 36 Rz 11; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl (Hg) ArbVG § 36 Rz 14 f. Bei entsprechender Kontrolldichte und disziplinärer Unterworfenheit gegenüber dem/der ArbeitvergeberIn (AuftraggeberIn) oder Intermediär (bis 2009 im HeimAG als „Mittelsperson“ geregelt) können sie jedoch auch „echte ArbeitnehmerInnen“ sein.[8]Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 13 und 17 f; näher siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

Mit Aufkommen der Tele(heim)arbeit ab den 1980er Jahren[9]Damalige Begriffe und Prognosen (1987): „elektronische Heim- oder Fernarbeit, informationstechnisch gestützte Heimarbeit und Teleheimarbeit sind neue, gleichbedeutende Ausdrücke für eine sich langsam abzeichnende Trendwende zur Verrichtung von Arbeit aus der Ferne mithilfe von Kommunikationssystemen […] ins Treffen wird eine beachtliche Sachkostenreduktion (Gebäudekosten, Gerätekosten: nicht wenige Haushalte verfügen schon über Telefon, Farbfernseher mit Btx-Anschluß und Personalcomputer) geführt“ (Egger, DRdA 1987, 97). wurden gewisse Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der IT-unterstützten Aufzeichnung, Verarbeitung und Übermittlung von „personenbezogenen Arbeitnehmerdaten“ gestärkt, und zwar durch die „Technologie-Novelle 1986“ des ArbVG.[10]BGBl 394/1986. Diese führte zur Ergänzung des § 91 ArbVG (Informationsanspruch des Betriebsrats), vor allem aber zur Einführung wichtiger EDV-Betriebsvereinbarungspflichten (neuer § 96a ArbVG: Notwendige BV bei Personaldatensystemen und Personalbeurteilungssystemen; § 91 Abs 2 ArbVG: Informations-, Überprüfungs- [und Beratungs-]Rechte des Betriebsrats hinsichtlich automationsunterstützter Datenverarbeitung der BetriebsinhaberInnen).[11]Siehe dazu auch den Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“; weiters Melzer-Azodanloo, Telearbeit in Österreich, juridikum 2007, 152. Tele-Heim-ArbeitnehmerInnen können uU auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, etwa auf Grundlage eines konkludent geschlossenen Arbeitsvertrags, beschäftigt werden.[12]OGH 4 Ob 12/64, Arb 7935; VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25. Näher B. Gruber, Arbeitnehmerschutz bei Teleheimarbeit, ZAS 1998, 65, und besonders ausführlich Warter, Crowdwork (2016) 203 ff.

1988 wurde das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) eingeführt, womit das seit langem bekannte Phänomen der „Zeitarbeit“ bzw Leiharbeit endlich reguliert wurde. Allerdings geschah das nur im vertragsrechtlichen und haftungsrechtlichen Bereich. Die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten wurden von der Gesetzgebung offen gelassen, aber von der Rsp anhand des „eingliederungsbezogenen“ ArbeitnehmerInnenbegriffs der Betriebsverfassung dann doch (teilweise) geklärt: Überlassene Arbeitskräfte (diese sind nicht notwendigerweise ArbeitnehmerInnen, sie können auch arbeitnehmerInnenähnliche Personen sein[13]Vgl zum Begriff der „Arbeitskraft“ neben § 3 Abs 4 AÜG auch § 1 DHG und § 50 ASGG.) gehören ab einer gewissen Intensität der Eingliederung in die Organisation des Betriebs des BeschäftigerInnenunternehmens auch der dortigen Betriebsbelegschaft an. Gleichzeitig gehören sie der Belegschaft des ÜberlasserInnenbetriebs an. Sie haben ja schon nach einigen Gesetzesbestimmungen zwei ArbeitgeberInnen (vgl §§ 5–7 und § 14 AÜG). Näheres siehe im Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Neben den (Tele-)HeimarbeiterInnen und den überlassenen Arbeitskräften sind in der Praxis weitere zuarbeitende Randbelegschaften zu beobachten:

  • Fallweise Beschäftigte (zB tageweise; siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“);
  • Saison-ArbeitnehmerInnen (vgl 53 Abs 5 und Abs 6 ArbVG: passives Wahlrecht auch bei kürzerer als sechsmonatiger Beschäftigung);
  • AbeitnehmerInnen mit „Rahmenarbeitsvertrag“ (nicht aber jene mit einer bloßen „Rahmenkonditionen-Vereinbarung“[14]OGH 27.02.2014, 8 ObA 8/14f und 8 ObA 50/13f, ZAS 2014/51 (Ogriseg) = DRdA 2014/34 (Risak); näher Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014/41.; näher Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“);
  • „AbeitnehmerInnen auf Abruf“[15]Siehe Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ zum vom OGH in 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz) für arbeitsrechtlich ungültig (nichtig) erklärten Bedarf-Konsens-Prinzip („Rahmen-Beschäftigungsvertrag“) und zu anderen („Rahmenkonditionsvereinbarungen“) Formen fallweiser Beschäftigung. Ausführlicher Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 Rz 94 ff., also in einem „Arbeitskräftepool“ befindliche Personen, die nach einer Vorabentscheidung des EuGH [16]EuGH 12.10.2004, C-313/02 – Peek&Cloppenburg.und der darauf fußenden Leitentscheidung des OGH aus 2004[17]OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz). sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis (in der Regel Teilzeit)

Die zuletzt genannten Gruppen sind auch arbeitsvertraglich (nach dem ArbeitnehmerInnenbegriff des Individualarbeitsrechts[18]Siehe dazu Rebhahn, in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 55 ff mwN.) an den/die BetriebsinhaberIn gebunden. Hingegen fallen nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut (§ 36 Abs 1 ArbVG) HeimarbeiterInnen auch bei fehlender vertragsrechtlicher ArbeitnehmerInnen-Eigenschaft unter den betriebsverfassungsrechtlichen (dh kollektiv-arbeitsrechtlichen) ArbeitnehmerInnenbegriff hinsichtlich des HeimarbeitvergeberInnenbetriebs. Näheres dazu unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Es ist übrigens völlig rechtskonform und unbestritten, dass ein/eine ArbeitnehmerIn den Belegschaften mehrerer Betriebe angehören kann, etwa bei Teilzeitbeschäftigung mit mehreren Arbeitsplätzen (so insbesondere bei jenen „working poor“, die sich nur mit mehreren Jobs über Wasser halten können) oder auch bei überlassenen ArbeitnehmerInnen, die sowohl der Belegschaft des ÜberlasserInnen- als auch jener des BeschäftigerInnenbetriebs angehören[19]OGH 9 ObA 63/87, DRdA 1988, 54; 9 ObA 22/91, Arb 10.908 ua; Obereder in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XV Rz 41.. Ob neben letzteren auch HeimarbeiterInnen zu den Belegschaften zweier Betriebe zählen können, wurde bis dato von Lit und Rspr nicht näher geprüft; völlig auszuschließen ist es jedenfalls nicht. Zu denken wäre hier – analog der Zuordnung von überlassenen Arbeitskräften sowohl zum ÜberlasserInnen- als auch zum BeschäftigerInnenbetrieb – an den Betrieb des Auftraggebers/der Auftraggeberin gemäß § 2 Z 2 HeimAG plus einen allfälligen weiteren Betrieb an ihrer im Sinne von § 2 Z 1 HeimAG „selbst gewählten Arbeitsstätte“ (zB gemietete Räumlichkeiten in einem Co-Working-Space, welche den unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ dargestellten Betriebs-Kriterien entsprechen).

1.2 ArbeitnehmerInnenähnliche Personen: Arbeitsrechtlicher Teilschutz

In zumindest fünf Regelungsbereichen des österreichischen Arbeitsrechts werden „arbeitnehmerInnenähnliche Personen“ entweder gänzlich (§ 51 Abs 3 Z 2 ASGG: prozessuale Gleichstellung mit ArbeitnehmerInnen im arbeitsgerichtlichen Verfahren) oder teilweise unter den Schutz des Arbeitsrechts gestellt. Was das Schadenersatz-Haftungsprivileg des DHG (§ 1 Abs 1), den Antidiskriminierungsschutz des GlBG (§§ 1, 16), die Restriktionen bei der Arbeitskräfteüberlassung (§ 3 Abs 4 AÜG) und bei der Ausländerbeschäftigung (§ 2 Abs 2 lit b AuslGB) betrifft, erfolgt in den genannten Gesetzen eine auf den jeweiligen sachlichen Bereich bezogene Gleichstellung mit ArbeitnehmerInnen.[20]Näher Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/419 ff.

Gekennzeichnet ist die ArbeitnehmerInnen-Ähnlichkeit dadurch, dass zwar kein Arbeitsvertragsverhältnis vorliegt, die Kriterien fremdbestimmter Arbeit und wirtschaftlicher Abhängigkeit bzw wirtschaftlicher Unselbständigkeit jedoch einen besonderen Schutz dieser Personen oder des Arbeitsmarktes[21]Durch die im AuslBG und AÜG erfolgte Einbeziehung in das Angebot an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt, zum Zweck des Schutzes inländischer Arbeitsplätze bzw der Stammbelegschaft des BeschäftigerInnenbetriebs (vgl § 3 Abs 2 AÜG). erfordern. Diese Personen sind trotz vertragsrechtlicher Selbständigkeit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise Unselbständige und stehen deshalb den ArbeitnehmerInnen näher als dem/der ArbeitgeberIn bzw UnternehmerIn.[22]OGH 4 Ob 106/55, Arb 6300; näher siehe Löschnigg Arbeitsrecht12 Rz 4/150 f.

1.3 Zwischenergebnis: (Gig-)Work in Progress

Diese kurze Darstellung der betriebsverfassungsrechtlichen Berücksichtigung von „Randbelegschaften“ und „arbeitnehmerInnenähnlichen Personen“ kann zu GigworkerInnen und Crowdsourcees (in der „Crowd“ mit outgesourcten Arbeitsschritten beschäftigte Personen) überleiten. Denn diese Personengruppen könnten, jedenfalls ab einer gewissen Intensität der Eingliederung in die Betriebsabläufe des/der „Arbeit[ver]gebers/Arbeit[ver]geberin“ oder „der Plattform“ zur Betriebs-Belegschaft im Sinne des kollektiven Arbeitsrechts dazugehören. Entscheidend ist letztlich, ob diese zuarbeitenden Personen durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation jenes Rechtssubjekts, das die Arbeitsleistungen entgegennimmt und ökonomisch verwertet (mit oder ohne Erwerbs- bzw Gewinnabsicht[23]Vgl § 34 Abs 1 letzter HS ArbVG.), vergleichbare Interessen wie die übrigen ArbeitnehmerInnen des Betriebs haben.[24]Siehe die Gesetzgebungsmaterialien zu § 36 Abs 1 ArbVG in Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Von „externen DienstleisterInnen im Betrieb“ (WerkunternehmerInnen oder angestellten ArbeitnehmerInnen [ErfüllungsgehilfInnen] von WerkunternehmerInnen), die mangels Eingliederung in die Betriebsorganisation nicht zur Belegschaft zählen würden, unterscheiden sich die zuarbeitenden CrowdworkerInnen insofern, als sie „kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers (hier: das Arbeiten vergebende Unternehmen) abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer (hier sinngemäß, je nach rechtlicher Gestaltung: die Plattform oder die einzelnen CrowdworkerInnen) zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken“ (vgl den so formulierten Beurteilungsmaßstab für Differenzierungen von Arbeitskräfteüberlassung und Fremddienstleistung im Betrieb, § 4 Z 1 AÜG, wo eingangs auch auf den „wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts“ abgestellt wird). Der OGH hat vor allem in einer einschlägigen Entscheidung vom 25.08.2014[25]OGH 8 ObA 7/14h, ZAS 2015/44 (Sacherer). klargestellt, dass Materialprüftätigkeiten, ebenso wie Zwischen- und Endkontrollen oder Verpackung und Versand zu den vielen notwendigen Schritten eines (kohärenten) Produktionsablaufs gehören; die MitarbeiterInnen der im „BestellerInnen-Unternehmen“ tätigen Materialprüffirma wurden daher nicht als WerkunternehmerInnen-ErfüllungsgehilfInnen, sondern als überlassene Arbeitskräfte beurteilt, die bei entsprechender Eingliederung in die Betriebsorganisation des Bestellers/der Bestellerin bzw des Auftraggebers/der Auftraggeberin auch zu dessen/deren Belegschaft zählen.

Es stellen sich schon nach dieser kurzen Darstellung der Entwicklung des Schutzbereichs von Individualarbeitsrecht und Betriebsverfassung zwei Fragen:

  • Sind diverse Formen des Crowd– und Gigwork etwas grundsätzlich anderes als „Heimarbeit oder Arbeitskräfteüberlassung auf Abruf“?
  • Welche kollektiv-arbeitsrechtlichen Unterschiede bestehen, wenn Arbeiten von Arbeitskräften der „potenziellen, abrufbaren Belegschaft“ (Arbeitskräftepool) außerhalb der Betriebsstätte geleistet werden?

2. Geltendes Recht: Kollektive Mitwirkung in der Gig-Economy

2.1 Ziele der Betriebsverfassung

Ausgangspunkt für Überlegungen zu betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungsansprüchen[26]Nach den – oder nach dem Vorbild der – §§ 89 bis 112 ArbVG und weiteren Mitbestimmungsnormen im AZG, UrlG usw; aber unter Umständen auch nach einschlägigen KollV, denen VergeberInnenunternehmen (CrowdsourcerInnen) unterworfen sind. in Gig-Economy-Strukturen (dh via Web-Plattformen) soll das bestehende Grundprinzip der Belegschaftsmitwirkung – nämlich Interessenwahrnehmung durch Belegschaftsorgane zwecks Interessenausgleich und „Betriebsfrieden“[27]Vgl vor allem die §§ 38 und 39 ArbVG zu den Zielen, Zwecken und Grundsätzen der „Betriebsverfassung“. – sowie der folgende Gedanke sein:

Wenn der österreichische Gesetzgeber für den Fall unternehmensinterner oder konzerninterner „Ausschreibungen“ und Vergaben von Arbeitsschritten (Microtasks) den Belegschaftsvertretungs-Organen diverse Mitwirkungsrechte[28]Siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“. zur Verfügung stellt, dann liegt die Vermutung einer ratio legis nahe, dass auch externe Task-Vergaben der kollektiven Mitwirkung nicht gänzlich entzogen sein sollen. Die Organe der Betriebsbelegschaft (diese wird im ArbVG meist „Arbeitnehmerschaft“[29]Vgl die §§ 38–40 ArbVG sowie die Überschrift vor den Mitwirkungsbestimmungen der §§ 89–112: „Befugnisse der Arbeitnehmerschaft“. genannt) sind im Wesentlichen auf vier Ebenen zu wählen, nämlich im Betrieb (Betriebsrat oder Angestellten- und Arbeiterbetriebsrat; Betriebsausschuss), im Unternehmen (Zentralbetriebsrat), im Konzern (Konzernvertretung) und bei Unternehmen oder Konzernen, deren Betriebsstruktur sich auf zwei oder mehrere EU-Mitgliedstaaten erstreckt (Europäische Belegschaftsvertretung, insbesondere Euro-Betriebsräte). Die §§ 38 und 39 ArbVG sind Ziel- und Programmnormen, sie schreiben die umfassende und interessenausgleichende Aufgabenwahrnehmung der Belegschaftsorgane fest.[30]Aufgaben
§ 38. Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes haben die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern.
Grundsätze der Interessenvertretung
§ 39.
(1) Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist die Herbeiführung eines Interessenausgleiches zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes.
(2) Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes sollen bei Verwirklichung ihrer Interessenvertretungsaufgabe im Einvernehmen mit den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer vorgehen.
(3) Die Organe der Arbeitnehmerschaft haben ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebes zu vollziehen. Sie sind nicht befugt, in die Führung und den Gang des Betriebes durch selbständige Anordnungen einzugreifen. […]“

Dabei sind aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht zumindest folgende Arten der Crowdsourcing-organisation und Task-Abwicklung zu unterscheiden:

  • Internes Crowdsourcing im Betrieb oder Unternehmen (zB innerhalb eines Metallindustrie-Unternehmens wird eine Intranet-Plattform eingerichtet; alle sich für geeignet haltenden ArbeitnehmerInnen können sich um Microtasks bewerben, sofern es ihre Beschäftigung erlaubt);
    • Variante: internes Crowdsourcing im Konzern, dh auch ArbeitnehmerInnen aus Schwester- oder Tochterunternehmen (die teilweise Betriebsräte aufweisen; die EWR-weit zum Teil im Euro-Betriebsrat repräsentiert sind) können sich um die ausgeschriebenen Tasks bewerben;
  • externes Crowdsourcing in offener Form: Ein Unternehmen vergibt über einen Intermediär (der im Internet als „Plattform“ auftritt) Tasks, wobei die CrowdworkerInnen wissen, wem ihre Arbeitsergebnisse zukommen und ihnen die Kontaktaufnahme mit diesem „Vergeber“ (Arbeit[ver]geber) nicht untersagt wird;
  • externes Crowdsourcing in verdeckter Form: Die Plattform als Intermediärin darf nicht „verraten“ in welchen Firmen und Betrieben (die unter Umständen einen Betriebsrat aufweisen) die Arbeitsergebnisse ankommen;
  • eventuell als weitere Formen: Kombinationen der soeben genannten Gigwork-Phänomene.[31]Zu den unterschiedlichen Phänotypen der Gig-Economy siehe insbesondere Kapitel „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?“. Sollten sich in Zukunft weitere Formen etablieren, wäre es umso wichtiger, dass die unerlässlichen Gesetzesanpassungen – siehe Kapitel „Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?“ – im Abstraktionsgrad ihrer Formulierungen auch künftige Phänomene so weit als möglich erfassen. Umgehungen der kollektiven Mitwirkungsansprüche durch „neue Technik“ und/oder „neue Arbeitsorganisation“ sollen pro futuro möglichst ausgeschlossen sein.

Die am stärksten mitbestimmbare Form des Crowdsourcing, nämlich die interne Vergabe bzw Verlagerung von Arbeitsaufgaben innerhalb eines Unternehmens über dessen unternehmensinterne Plattform, kann durchaus mit externem Crowdsourcing kombiniert werden, wie das folgende Beispiel zeigt.

2.2 Fallbeispiel

Ein Hersteller von Kfz-Teilen in Oberösterreich (Firma CarComponents – CC GmbH, eine 100%ige Tochter der deutschen CC Holding AG) beabsichtigt die Katalogisierung, die technische Beschreibung sowie die Übersetzung des Produktekatalogs in acht marktrelevante EU-Sprachen primär an die „firmeninterne Crowd“ auszulagern.[32]In der ca 1.500 ArbeitnehmerInnen umfassenden Belegschaft finden sich zahlreiche KollegInnen mit den Muttersprachen Polnisch, Englisch, Ungarisch, Italienisch, Spanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) ua. Darüber hinaus wird eine zusätzliche Arbeitsvergabe an ArbeitnehmerInnen von Konzernunternehmen und teilweise auch an „die externe Crowd“ überlegt. In den drei Werken in OÖ werden mehr als 20.000 Einzelbestandteile und Komponenten erzeugt und/oder verarbeitet. Bisher sind diese Katalogisierungs- und Übersetzungsarbeiten von 30 Angestellten der Zentrale in Linz (in den Bereichen Procurement/Einkauf sowie Logistik beschäftigt) bearbeitet worden. Zehn von ihnen sollen weiterbeschäftigt werden, um die Qualitätskontrolle der über die Plattform einlangenden Text- und Bilddateien vorzunehmen. Für die anderen 20 „werde man schauen, ob man im Unternehmen oder Konzern weiterhin für sie Verwendung findet“ meint der für dieses Crowdsourcing-Projekt zuständige Manager.

Über eine „noch zu beauftragende Crowdworking-Plattform“ will man die Übersetzung und Produktebeschreibung in weitere 12 relevante Sprachen vergeben. Mit den intern und extern an die Crowd vergebenen Arbeiten sollen aktuelle und potenzielle KundInnen „in 20 Sprachräumen, also rund 95 % unseres Marktes“ abgedeckt werden, sagt der Finanzgeschäftsführer beim monatlichen Beratungsgespräch zur Zentralbetriebsratsvorsitzenden, die gleichzeitig Betriebsratsvorsitzende des Betriebs „Zentrale Linz“ ist.

Einige Wochen später beauftragt die CC GmbH die Gigwork-Plattform „GW ltd.“ („gigworks.com“; laut Impressum der Website in Dublin ansässig) mit der externen Ausschreibung sowie Abwicklung der Übersetzungs- und Beschreibungsarbeiten.

Rechtsfrage: Welche Mitgestaltungsmöglichkeiten und Mitwirkungsrechte stehen dem Zentralbetriebsrat und dem Betriebsrat zur Verfügung, um sämtliche betroffenen Arbeitsplätze möglichst dauerhaft und ohne Qualitätsverlust zu schützen?

Um die Möglichkeiten des Zentralbetriebsrats und der betroffenen Betriebsräte in diesem Beispiel zu erörtern, müssen die Basisbegriffe „Betrieb“, „BetriebsinhaberIn“ und „ArbeitnehmerIn im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn“ unter dem Aspekt der Gig-Economy näher betrachtet werden.

2.3 Der Betriebsbegriff des ArbVG

2.3.1 Elemente des Betriebsbegriffes

In ständiger Judikatur[33]OGH 9 ObA 152/07d, DRdA 2009, 144 (Mayr) – ASFINAG; 9 ObA 193/95, DRdA 1996/22 (Runggaldier) – Austro-Control; ua. wird die Feststellung einer Arbeitsorganisationseinheit als „Betrieb“ (§ 34 ArbVG) unter Heranziehung von sechs Elementen vorgenommen. Dieses Arbeitssystem muss eine eigenständige „Identität“ im Sinne von Alleinstellungsmerkmal(en) erlangen, um als „Betrieb“ die Basis der kollektiv-arbeitsrechtlichen Mitwirkung bilden zu können.

Bei der rechtlichen Prüfung ist im Sinne eines „beweglichen Systems“ vorzugehen, weshalb, kurz gesagt, nicht alle Elemente deutlich erkennbar vorliegen müssen, sondern das Fehlen einiger der sechs „Wesenselemente des Betriebs“[34]Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 34 Rz 8. durch das umso deutlichere Zutagetreten anderer kompensiert werden kann. Nach ihrer Bedeutung in der Rsp gereiht sind diese Elemente:

  • Betriebs(ablauf)organisation in Einheitlichkeit (Zusammengehörigkeit) und arbeitstechnischer Selbständigkeit;
  • Betriebszweck, technischer Sachzusammenhang, der letztlich in der Erzielung der Arbeitsergebnisse erkennbar wird;
  • Betriebsmittel, die zur Erreichung dieses Betriebszwecks vor allem diesem Betrieb ablauforganisatorisch zugeordnet sind;
  • Belegschaft des Betriebs, dh zugeordnete Beschäftigte, die zur Zweckerreichung (mit Betriebsmitteln) eingesetzt werden;
  • BetriebsinhaberIn, das Rechtssubjekt, welches über die Arbeitsstätte verfügen kann; das können nach der Rsp bei einem „Gemeinschaftsbetrieb“ auch mehrere RechtsträgerInnen sein[35]OGH 8 Ob 15/95, RdW 1996, 71; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua. Näheres im Abschnitt „Ziele der Betriebsverfassung“.;
  • Dauercharakter und Standort des Betriebs (das Standort-Kriterium rückt – so der OGH[36]OGH 26.03.1997, 9ObA88/97z; OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 (2015) § 34 Rz 47. – aufgrund des vermehrten Einsatzes „moderner IT-Kommunikationsmittel“ zunehmend in den Hintergrund).

Bei diffizileren Abgrenzungsfragen zieht die Rsp den zentralen Normzweck heran: Im Zweifel ist die Arbeitsorganisationseinheit „Betrieb“ dort anzunehmen, wo eine wirksame Interessenvertretungstätigkeit und Aufgaben-Wahrnehmung iSd §§ 89 ff ArbVG durch die Belegschaftsvertretung tatsächlich möglich ist.[37]OGH 27.09.1995, 9 ObA 143/95; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 11 ff.

In unserem Beispiel hat die CC GmbH drei „Werke“ in Oberösterreich. Ob jedem dieser Standorte eigenständige Betriebsqualität zukommt oder es sich um bloße Arbeitsstätten handelt (und damit alle drei Arbeitsstätten zusammengenommen einen einheitlichen Betrieb bilden), ist vor allem danach zu beurteilen, ob die Ablauforganisation der Arbeiten, die Zuteilung von Arbeitsmengen und -schritten, die Arbeitszeit- und Urlaubseinteilung sowie die Personalressourcen-Planung in gewisser Selbständigkeit vorliegt. Eine für das jeweilige Werk zuständige „Betriebsleitung“ ist hierfür ein starkes Indiz, denn über diese weisungsbefugten ManagerInnen kann die Arbeitsorganisation selbständig einheitlich geleitet werden.

Da für jedes Werk ein Betriebsrat und auf Ebene des Unternehmens von den Mitgliedern aller drei Betriebsräte ein Zentralbetriebsrat gewählt wurde – und diese Wahlen unangefochten blieben – ist die Existenz von drei Betrieben zumindest für die laufenden Funktionsperioden rechtlich abgesichert. Die Betriebsratskörperschaften und eine Zentralbetriebsratskörperschaft existieren rechtmäßig und sind allgemein nach § 38 sowie konkreter nach den §§ 89 ff ArbVG (und einigen weiteren Mitwirkungsregelungen, zB im AZG) dazu berufen, die Befugnisse der Belegschaft auszuüben.

Wo befinden sich nun die örtlich-sachlichen und vor allem persönlichen Grenzen dieser Betriebe? Denn die in diesem Beispiel angeführte „externe Crowd“ – aber auch die „konzernweite interne Crowd“[38]Die Praxis hat in internationalen Konzernen gezeigt, dass sich hauptsächlich KonzernmitarbeiterInnen aus „Billiglohnländern“, etwa aus Indien, an Plattformausschreibungen und damit verbundenen „unbezahlten Vorarbeiten“ beteiligen. – wird ihre „Gigs“ vielfach außerhalb Österreichs abarbeiten. Hier gilt, dass auch im Ausland tätige Beschäftigte iSd § 36 ArbVG als ArbeitnehmerInnen eines inländischen Betriebs angesehen werden können, wenn sie trotz der ständigen räumlichen Trennung organisatorisch in den inländischen Betrieb eingegliedert sowie weisungsgebunden und berichtspflichtig sind. Auch unselbständige ausländische Betriebsteile eines in Österreich gelegenen Betriebs bleiben betriebsverfassungsrechtlich Bestandteil des österreichischen Betriebs.[39]OGH 26.03.1997, 9 ObA 88/97z; 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näheres siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47.

Wir werden darauf noch unter Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“ beim betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff, der in § 36 ArbVG geregelt und durch eine recht umfangreiche Judikatur abgesichert ist, zurückkommen.

Zur Rechtsdurchsetzung oder Klärung der Fragen, ob denn überhaupt ein Betrieb vorliegt bzw ob eine bloße Arbeitsstätte so umfangreich ist, dass ihr Betriebsqualität zukommen sollte, ist in § 34 Abs 2 ArbVG eine besondere Legitimation zur Feststellungsklage und in § 35 ArbVG die Möglichkeit einer Rechtsgestaltungsklage auf „Gleichstellung“ vorgesehen.

2.3.2 Wer ist BetriebsinhaberIn?

Der/Die BetriebsinhaberIn ist von zentraler Bedeutung in der Betriebsverfassung, denn er/sie ist der/die wirtschaftliche und soziale GegenspielerIn der Belegschaft und ihrer Organe. Ihm/Ihr gegenüber sind die Mitwirkungsbefugnisse auszuüben. Gemäß § 34 Abs 1 kann eine physische oder juristische Person oder Personengemeinschaft BetriebsinhaberIn sein.[40]Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 14 ff. Als BetriebsinhaberIn ist anzusehen, wer als physische oder juristische Person über die Arbeitsstätte verfügen kann und daher auch in der Lage ist, durch zweckentsprechenden Einsatz der vorhandenen technischen und immateriellen Mittel Arbeitsergebnisse zu verfolgen. Der/Die InhaberIn kann EigentümerIn, PächterIn oder aus einem sonstigen Rechtstitel verfügungsberechtigt sein. Er/Sie muss mit dem/der arbeitsvertraglichen ArbeitgeberIn sämtlicher ArbeitnehmerInnen der Betriebsbelegschaft nicht ident sein![41]Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 34 Rz 8 und Rz 10. Für die Betriebsverfassung ist nur bedeutsam, dass die ArbeitnehmerInnen dem/der BetriebsinhaberIn arbeitsorganisatorisch so zugeordnet sind, dass sie von diesem/dieser zur Verfolgung der Arbeitsergebnisse eingesetzt werden können.[42]OGH 23.02.1994, 9 Ob A 311/93; näheres bei Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 17.

Auch mehrere selbständige physische oder juristische Personen können gemeinsam BetriebsinhaberIn sein – dann liegt ein Gemeinschaftsbetrieb vor.[43]Vgl Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 19 ff; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 18 f. Wird von rechtlich selbständigen Unternehmen oder UnternehmerInnen ein einheitlicher gemeinsamer Betriebszweck verfolgt, und zB über eine gemeinsame oder einheitlich gesteuerte und koordinierte Geschäftsführung die budgetäre und arbeitsorganisatorische Steuerung harmonisiert, dann kann ein sogenannter Gemeinschaftsbetrieb (Betrieb der von mehreren BetriebsinhaberInnen getragen wird) vorliegen.[44]OGH 12.10.1995, 8 Ob 15/95; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua.

In unserem Beispiel ist wohl unstrittig die CC GmbH Betriebsinhaberin des Betriebs Linz und der weiteren beiden Betriebe in Oberösterreich. Sie vergibt aber gemeinsam mit der Plattformbetreiberin „GW ltd.“ Arbeiten und beide Unternehmen organisieren somit die technische Arbeitsorganisation (Arbeitsablauforganisation). Es könnten hier möglicherweise die österreichische Arbeit(ver)geberin und jene juristische Person, welche die Plattform betreibt, die in Irland ansässige Limited Company also, als gemeinsame Betriebsinhaberinnen (beachte das verbum legalium „Personengemeinschaft“ in § 34 Abs 1 ArbVG) des Gemeinschaftsbetriebs Linz/Internet(plattform) (nicht: Linz/Dublin) anzusehen sein.[45]Auch in Deutschland ist der Gemeinschaftsbetrieb anerkannt und wird in stRsp folgendermaßen definiert: Wenn mehrere UnternehmerInnen ausdrücklich eine rechtliche Vereinbarung über die einheitliche Leitung des gemeinsamen Betriebs geschlossen hatten oder sich diese Vereinbarungen aus den Umständen des Einzelfalls ergibt (BAG 1998, NZA 98, 723), dann ist von einem Gemeinschaftsbetrieb auszugehen. Mit der Novelle 2001 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes 1972 (BetrVG) wurde in § 1 Abs 2 BetrVG zusätzlich eine Legalvermutung normiert, wonach einerseits bei gemeinsamer Zweckverfolgung durch mehrere UnternehmerInnen in einem Betrieb ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt und andererseits nach der Spaltung eines Unternehmens zwischen abgespaltenen bzw dem abspaltenden Unternehmen dann ein einheitlicher Gemeinschaftsbetrieb bestehen bleibt, wenn sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs nicht wesentlich ändert (näher siehe Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 [2016] § 1 Rz 88 ff). Denn zumindest die gemeinsame Zweckverfolgung mit einem gemeinsam ausverhandelten Budget für „Beschreibungs- und Übersetzungarbeiten der Crowd“ wurde zwischen den beiden Unternehmen vereinbart, die Arbeitsergebnisse werden von beiden (Gemeinschafts-)Betriebsinhaberinnen kontrolliert. Die Ablauforganisation der Arbeiten kann wohl hinsichtlich Auftragsspezifizierung, Zuteilung, Entgegennahme, Kontrolle der Arbeiten uÄ in gemeinsamer Koordination und Abwicklung vom österreichischen Unternehmen (ein Rechtsträger des Betriebs) mit dem irischen Unternehmen (eventuell ein weiterer Rechtsträger des Betriebs) beeinflusst und gestaltet werden.

2.4 Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG

2.4.1 Grundsätzliches

Der Begriff der ArbeitnehmerInnen im Sinne der Betriebsverfassung wird in § 36 ArbVG vorgegeben und setzt nicht notwendigerweise das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (Dauerschuldverhältnis; Arbeitsvertrag) mit den jeweiligen BetriebsinhaberInnen voraus. Vielmehr ist die Eingliederung in die Organisation des Betriebs maßgeblich, denn § 36 Abs 1 ArbVG lautet: „Arbeitnehmer im Sinne des II. Teiles [Betriebsverfassung] sind alle im Rahmen eines Betriebs beschäftigten Personen einschließlich der Lehrlinge und der Heimarbeiter ohne Unterschied des Alters.“ (Hervorhebung vom Autor).

Irrelevant für den betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff ist, ob es sich um Haupt- oder Nebenerwerb handelt, wie umfangreich die Arbeitszeit ist, wie häufig oder regelmäßig gearbeitet wird uÄ.[46]Strasser in Jabornegg/Strasser/Resch, ArbVG § 36 Rz 9. Nach dem vertragsrechtlichen Grundsatz „falsa demonstratio non nocet[47]„Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.“ ist die Benennung des Vertragsverhältnisses nicht maßgeblich, es zählt der „wahre wirtschaftliche Gehalt“ des Vertragsverhältnisses (dh der tatsächliche Vertragsvollzug) ja schon kraft ASVG.[48]Siehe dazu Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“. Der ArbeitnehmerInnenbegriff des § 36 ArbVG setzt nicht den Bestand eines Arbeitsvertrags, sondern vielmehr das Vorliegen eines faktischen Beschäftigungsverhältnisses voraus, das durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber dem/der BetriebsinhaberIn gekennzeichnet ist.[49]VwGH vom 26.1.1961, Arb 7322; siehe auch Gahleitner, in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 36 Rz 3. Manche Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts setzen das Vorliegen eines Arbeitsvertrags voraus, für andere wiederum, wie etwa für jene betreffend den ArbeitnehmerInnenschutz, genügt die faktische Eingliederung in den Betrieb.[50]Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 1.

Der Statusbegriff „betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerInnen“ stellt also nicht auf einen Arbeitsvertrag unmittelbar mit BetriebsinhaberInnen ab, sondern umfasst ab einem gewissen Grad der Organisationseinbindung auch überlassene Arbeitskräfte, „Delegierte“ (zB dienstzugewiesene Beamte und Vertragsbedienstete oder Angestellte der Konzernmutter) und ähnliche in die Betriebsorganisation eingebundene, zuarbeitende Personen.[51]Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 14 ff. Allerdings sollten diese Personen ein unselbständiges Beschäftigungsverhältnis zu einem/einer delegierenden oder sonst wie zuarbeitenden ArbeitgeberIn haben. Freie DienstnehmerInnen oder gar WerkvertragsnehmerInnen sind, von HeimarbeiterInnen abgesehen (dazu gleich unten), nach herrschender Ansicht nicht Teil der Betriebsbelegschaft.[52]Dazu und zum Reformpotenzial Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100.

Überlassene Arbeitskräfte (Leiharbeitskräfte) haben betriebsverfassungsrechtlich einen gespaltenen Status, sie gehören der Belegschaft der ÜberlasserInnen (VerleiherInnenbetriebe), aber unter Umständen auch jener der BeschäftigerInnen (EntleiherInnenbetriebe) an. Dies wird in stRsp dann angenommen, wenn BeschäftigerInnen wesentliche ArbeitgeberInnenfunktionen wie zB Arbeitszeiteinteilung, Urlaubseinteilung, Erteilung von Weisungen usw faktisch ausüben. Weitere Voraussetzung ist, dass die Überlassung an die BeschäftigerInnen für längere Zeit (im Zweifel: zumindest sechs Monate) geplant ist. In der Praxis werden von den Betriebsratskörperschaften der typischen EntleiherInnenunternehmen (BeschäftigerInnenunternehmen) die Leiharbeitskräfte meist nach Ablauf einer sechsmonatigen faktischen Beschäftigung auf die WählerInnenliste für die Betriebsratswahlen gesetzt, und zwar sowohl hinsichtlich des aktiven als auch des passiven Wahlrechts. Diese Praxis deckt sich jedenfalls mit der höchstgerichtlichen Judikatur.[53]OGH 9 ObA 63/87, ZAS 1988, 95; 9 ObA 22/91, DRdA 1991, 352; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8.

Es könnte nach diesem kurzen Blick auf den betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff formuliert werden, dass ein „Beschäftigungsverhältnis“ etwas anderes, weiteres (und primär arbeitstechnisches) ist als ein „Arbeitsverhältnis“. Denn selbst Beschäftigte, die aufgrund eines mangelhaften Arbeitsvertrags (zB Mangel der Geschäftsfähigkeit; Nichtigkeit des Arbeitsvertrags wegen Gesetzesverstoßes oder Sittenwidrigkeit) kein wirksames Arbeitsverhältnis haben, bleiben „im Rahmen des Betriebs“ arbeitstechnisch/organisatorisch eingesetzte und „verwendete“ Personen, also betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerInnen gemäß § 36 Abs 1 ArbVG.[54]Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG (1975) 219–222; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 4.

2.4.2 HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung

a. Grundsätzliches

HeimarbeiterInnen sind kraft ausdrücklicher Anordnung des § 36 Abs 1 ArbVG ebenfalls ArbeitnehmerInnen des Betriebs. Seit der HeimAG-Novelle 1975 kennt zwar das HeimAG den Begriff des „regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters iSd § 27 HeimAG 1960“ nicht mehr; für den Bereich der Betriebsverfassung blieb aber die frühere Differenzierung weiterhin von Bedeutung (Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975).[55]Die Übergangsbestimmung (Rechtswahrungs-Bestimmung) des Art III lautet wörtlich: „Durch das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bleibt der Begriff des regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters (§ 27 des Heimarbeitsgesetzes 1960) hinsichtlich der §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2, 52 Abs. 1, 117 Abs. 4, 124 Abs. 6, 125 Abs. 3 und 126 Abs. 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, unberührt.“ Die Regierungsvorlage führt dazu aus: „Zu Artikel III: Die Neufassung des § 27 bringt eine Erweiterung des Kreises jener Heimarbeiter, die Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben, mit sich. Da die im Arbeitsverfassungsgesetz vorgenommene Fixierung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Heimarbeiter beibehalten werden soll, muß der Begriff des ‚regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters‘ des derzeitigen § 27 für den Bereich des Arbeitsverfassungsgesetzes weiter in Geltung bleiben“ (ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 14). Bis zur ArbVG-Novelle 2010 verwiesen einige betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen auf § 27 HeimAG (alt), dieser lautete: „Für Heimarbeiter, die bei einer Person, die Heimarbeit vergibt, in den letzten 39 Wochen durch mindestens 13 Wochen oder in den letzten 78 Wochen durch mindestens 26 Wochen beschäftigt waren und in diesen 13 beziehungsweise 26 Wochen eine Arbeitsleistung erbracht haben, die nach Dauer oder Menge der eines Werkstattgehilfen entspricht, gelten neben den Vorschriften dieses Bundesgesetzes folgende Sonderbestimmungen: […]“ (BGBl 105/1961). Als „regelmäßig beschäftigt“ gelten HeimarbeiterInnen demnach, wenn sie zumindest ein Drittel der Arbeitszeit oder Arbeitsmenge eines/einer durchschnittlichen Betriebsarbeiters/Betriebsarbeiterin (Gehilfen/Gehilfin) für den/die Arbeit(ver)geberIn, also AuftraggeberIn, leisten. Im Zweifel wird wohl die Saison (bei Saisonbetrieben) oder aber das Geschäftsjahr (Bilanzjahr; allenfalls Kalenderjahr) als Beobachtungszeitraum heranzuziehen sein.

Grundsätzlich waren seit Inkrafttreten des ArbVG 1974 sämtliche HeimarbeiterInnen als ArbeitnehmerInnen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn anzusehen und zwar im Betrieb ihrer AuftraggeberInnen (ArbeitvergeberInnen; definiert in § 2 Z 2 HeimAG), obwohl sie gemäß § 2 HeimAG ohne Gewerbeschein in ihrer eigenen Wohnung oder selbstgewählten Arbeitsstätte von ihren AuftraggeberInnen im Regelfall mittels freien Dienstvertrags oder Werkvertrags beschäftigt werden. Nur in Ausnahmefällen sind sie „echte“ (in persönlicher Abhängigkeit beschäftigte) ArbeitnehmerInnen. [56]So ging etwa der OGH in 4 Ob 12/64, Arb 7935, von der Rechtsansicht ab, dass wegen des Fehlens der höchstpersönlichen Dienstleistungspflicht kein Arbeitsverhältnis vorliege. Das Höchstgericht qualifizierte Vereinbarungen, nach denen die Arbeit in der Wohnung verrichtet wird, als Arbeitsverhältnis, wenn bestimmte Arbeitsstunden einzuhalten sind und eine Kontrolle durch den/die ArbeitgeberIn vorliegt, die einem/einer Betriebszugehörigen entsprechend stattfindet. So auch VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25; zitiert nach Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/158 und besonders ausführlich dargestellt bei Warter, Crowdwork 203 ff.

Was war nun der Grund, dass diese spezielle „Randgruppe der Belegschaft“ ab 1974 unabhängig vom vertraglichen Status (Arbeitsvertrag – freier Dienstvertrag – Werkvertrag) in den ArbeitnehmerInnenbegriff der Betriebsverfassung einbezogen wurde? Die Vorgängergesetze des ArbVG, das Kollektivvertragsgesetz 1947 und vor allem das BRG 1947 enthielten noch einen engeren ArbeitnehmerInnenbegriff. Erst mit Inkrafttreten des ArbVG per 01.07.1974 war die Einbeziehung von HeimarbeiterInnen erfolgt. Nach Floretta/Strasser[57]Kommentar zum ArbVG (1975) 217. bringe § 36 Abs 1 ArbVG insofern eine Änderung gegenüber der früheren Rechtslage, als die HeimarbeiterInnen nun grundsätzlich zu den ArbeitnehmerInnen gerechnet würden. Gegenüber den bloß deklarativ erwähnten Lehrlingen stelle die nunmehr erstmals in den betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff aufgenommene Gruppe der HeimarbeiterInnen eine konstitutive Erweiterung des Kreises der im Rahmen eines Betriebs beschäftigten Personen dar.

Trotz ihres im Regelfall nicht vorhandenen ArbeitnehmerInnen-Status im vertragsrechtlichen Sinn sind sie in die Betriebsverfassung als „ArbeitnehmerInnen“ einbezogen und es gelten für sie einige Bestimmungen schon bei bloß oberflächlichem Bezug zum Betrieb, also sogar bei unregelmäßiger Beschäftigung bzw Beauftragung (zB Teilnahmerecht an Betriebsversammlungen; Möglichkeit des Einbeziehens in Betriebsvereinbarungen). Einige Bestimmungen des ArbVG kommen für HeimarbeiterInnen aber nur bei engerem Betriebsbezug zur Anwendung:[58]Näher siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 14 f; vgl auch Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG (2008), § 49 Rz 4: Regelmäßige Beschäftigung bei Heimarbeitern: Im Fall von Heimarbeitsverhältnissen knüpft das Gesetz die Stimmberechtigung nach wie vor an das Vorliegen der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 27 HeimAG. Die Definition der regelmäßigen Beschäftigung in § 27 HeimAG wurde zwar durch die Novelle zum HeimAG vom 28.04.1975, BGBl 1975/303, beseitigt, für die begriffliche Abgrenzung im ArbVG ist sie aber weiterhin zu beachten (vgl Art III BGBl 1975/303). Für die Beurteilung der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 49 ArbVG muss wie bei den sonstigen Voraussetzungen der Tag der Belegschaftsversammlung herangezogen werden. Sie sind seit 1974 nur im Fall „regelmäßiger Beschäftigung“ aktiv wahlberechtigt zur Betriebsratswahl und zur Wahl weiterer Organe der ArbeitnehmerInnenschaft; außerdem sind sie diesfalls in den Betriebsversammlungen nicht nur teilnahme- sondern auch stimmberechtigt. Es musste diese „Regelmäßigkeit“ auch vorliegen, damit sie auf diverse Schwellenzahlen (Größe des Betriebsrats, Freistellungsgrenzen) angerechnet werden konnten. Für die Grundfrage, ob überhaupt ein Betriebsrat zu wählen ist (ab fünf im Betrieb beschäftigten ArbeitnehmerInnen), blieben sie immer außer Betracht, egal ob regelmäßig oder unregelmäßig beschäftigt. Das passive Wahlrecht kam und kommt ihnen selbst bei regelmäßiger Beschäftigung nicht zu.[59]Dazu die ErlRV 840 BlgNR 13. GP 74: „Der Sonderstellung der Heimarbeiter wird durch ausdrücklichen Ausschluss vom passiven Wahlrecht Rechnung getragen“.

Mit der 2011 in Kraft getretenen Novelle des ArbVG, BGBl I 2010/101, blieb zwar der ArbeitnehmerInnenbegriff des § 36 ArbVG („einschließlich […] der Heimarbeiter“) unverändert, aber es wurden nun sämtliche Gesetzespassagen, in denen auf die Voraussetzung regelmäßig beschäftigte Heimarbeiter iSd § 27 HeimAG 1960“ abgestellt gewesen war, ersatzlos aus dem Gesetzestext des ArbVG gestrichen: § 49 Abs 1 (Stimmrecht in der Betriebsversammlung nur bei „Regelmäßigkeit“), § 50 Abs 2 (Berechnung der ArbeitnehmerInnen-Zahl für die Anzahl der Mandate des Betriebsrats), § 52 Abs 1 (aktives Wahlrecht bei der Betriebsratswahl), § 117 Abs 4 (Berücksichtigung für die Berechnung der ArbeitnehmerInnen-Zahl hinsichtlich Freistellungsgrenzen), §§ 124 Abs 6, 125 Abs 3, 126 Abs 4 (Stimmrecht, Schwellenzahl-Berücksichtigung und aktives Wahlrecht hinsichtlich Jugendversammlung und Jugendvertrauensrat). Allerdings blieb der gänzliche Ausschluss der HeimarbeiterInnen vom passiven Wahlrecht zum Betriebsrat (§ 53 Abs 3 Z 3) und zum Jugendvertrauensrat (§ 126 Abs 7 iVm § 53 Abs 3 Z 3 ArbVG) im Zuge der ArbVG-Novelle 2010 unverändert bestehen. Zur Streichung der Voraussetzung „regelmäßig beschäftigt iSd § 27 HeimAG 1960“ in den soeben genannten sieben Paragrafen führen die Gesetzgebungsmaterialien der ArbVG-Novelle 2010 aus: „Durch diese Änderungen wird die obsolet gewordene Verweisung auf § 27 Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr.105/1961, gestrichen. Heimarbeiter zählen damit generell als Arbeitnehmer im Sinn des Betriebsverfassungsrechtes.[60]ErlRV 901 BlgNR 21. GP 5.

b. Weiterhin bestehende Relevanz der dauernden Beschäftigung

Bedeutet das nun, dass sämtliche HeimarbeiterInnen, ganz gleich ob sie nur äußerst selten und für sehr kurze Zeit (zB einige Minuten pro Monat) für den AuftraggeberInnenbetrieb arbeiten oder ob ihre Arbeiten regelmäßig geleistet werden und von großer (Weiterverarbeitungs-)Relevanz für den ArbeitvergeberInnenbetrieb sind, den StammarbeitnehmerInnen „im Betrieb vor Ort“ völlig gleich gestellt wurden (vom passiven Wahlrecht abgesehen)? Ich denke nicht, dass der Gesetzgeber der ArbVG-Novelle BGBl I 2010/101 derartiges beabsichtigte.[61]AA Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 52 Rz 10. Wohl für die weiterhin bestehende Beschränkung beim aktiven Wahlrecht Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 6. Denn dem eingangs zitierten, seit 1975 bestehenden Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975 (siehe auch die Materialien, zitiert in FN 54) wurde ja mit der ArbVG-Novelle 2010 nicht formell derogiert, das heißt Art III wurde nicht ausdrücklich aufgehoben bzw außer Kraft gesetzt. Es stellt sich nun die Frage, ob dieser Übergangsbestimmung materiell derogiert wurde, weil sie mit den nunmehrigen Bestimmungen des ArbVG, die ja die Unterscheidung „regelmäßig“ von „nicht regelmäßig“ im Gesetzeswortlaut nicht mehr enthalten, sinnvollerweise nicht mehr in Einklang gebracht werden kann und somit die jüngere und speziellere Norm (BGBl I 2010/101) die ältere Norm des Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975 im Hinblick auf Sinn und Zweck der Gesetzgebung (dh bezogen auf den telos des ArbVG in seiner seit 2011 geltenden Fassung) sachlich-materiell überlagert und beseitigt hätte.

Für eine „materielle Derogation“ müsste eine später erlassene Rechtsnorm mit der früher erlassenen in (unauflösbarem) Konflikt stehen,[62]Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 495 f. sodass vom Willen der Gesetzgebung auszugehen wäre, nur noch die jüngere Norm in Geltung zu belassen. Nun hatte aber § 27 HeimAG, auf den im ArbVG bis 31.12.2010 mehrfach (an sieben Stellen) verwiesen wurde, schon seit 1975 keine Bedeutung mehr, weil damals auch für unregelmäßig beschäftigte HeimarbeiterInnen die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eingeführt wurde und im Zuge dessen die Unterscheidung von regelmäßig/unregelmäßig beschäftigt aufgehoben worden war.[63]Noch die Regierungsvorlage (1482 BlgNR 13. GP 5 und 22) hatte sehr wohl diese Unterscheidung in § 27 Abs 1 HeimAG vorgesehen (mit dem Zusatz, dass schon bei drei Wochen innerhalb der letzten dreizehn Wochen ebenfalls Regelmäßigkeit gegeben gewesen wäre), aber im BGBl wurde § 27 HeimAG ohne jegliche Einschränkung verlautbart. Mit der HeimAG-Novelle 1992, BGBl I 836/1992, erhielt der zwischenzeitlich durch mehrere Novellen veränderte § 27 die Bezeichnung „§ 25“, womit ab 01.01.1993 die sieben Verweise auf „im Sinne des § 27 […] regelmäßig beschäftigt“ noch absurder wurden. Vgl den IA 420/A BlgNR 18. GP 1 und AB 842 BlgNR 18. GP 3. Der Verweis „iSd § 27 HeimAG 1960“ war also rund 35 Jahre lang (von 01.07.1975[64]Inkrafttreten gemäß Art V Abs 1 BGBl 303/1975. bis 31.12.2010) ins Leere gegangen, er hatte aber dennoch seinen Zweck erfüllt und auch zum Ausdruck gebracht: Nach den Gesetzesmaterialien (siehe FN 54) sollte die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der HeimarbeiterInnen so wie seit 01.07.1974 (ArbVG-Inkrafttreten) fixiert bleiben.

Meines Erachtens sprechen starke teleologische Erwägungen dafür, dass auch die per 01.01.2011 erfolgten Streichungen der Verweise auf den längst nicht mehr „sinnvollen und passenden“ § 27 HeimAG nichts am weiter bestehenden gesetzgeberischen Willen ändert, nur regelmäßig (dh mit zumindest einem Drittel der „durchschnittlichen Betriebsarbeitszeit oder -menge“; siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“) beschäftigte HeimarbeiterInnen mit dem aktiven Betriebsrats-(und Jugendvertrauensrats)-Wahlrecht und mit Stimmrecht in der Betriebsversammlung (Jugendversammlung) auszustatten sowie bei bestimmten Schlüsselzahlen zu berücksichtigen. Trotz des geänderten (um den Verweis auf § 27 HeimAG reduzierten) Wortlauts der §§ 49, 50, 52, 117 und 124–126 ArbVG ist festzustellen, dass die seit rund 40 Jahren bestehende Vorschrift des Art III BGBl 303/1975 und die neueren Normen der ArbVG-Novelle 2010 nicht denselben Tatbestand aufweisen und auch die angeordneten Rechtsfolgen nicht unvereinbar sind. Es wären aber „Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen“ und „gleicher Tatbestand“ die notwendigen Voraussetzungen, um von einer inhaltlichen Außerkraftsetzung („materieller Derogation“) des Art III BGBl 303/1975 ausgehen zu können.[65]Kletečka in Koziol/Welser13 Bd 1, 37. Hier wurde aber gerade kein neuer Tatbestand geschaffen, sondern bloß ein Verweis aus den im Übrigen unveränderten Tatbeständen entfernt, weil die Gesetzgebung diesen Verweis fälschlich für „obsolet“ hielt (auf die Bedeutung des Art III BGBl 303/1975 hatte der Gesetzgeber vermutlich vergessen). Die oben zitierten Gesetzesmaterialien aus 2010, die von „obsolet gewordene Verweisung auf § 27 Heimarbeitsgesetz 1960“ sprechen, sind zwar Quelle für die historische Interpretation (die gegenüber der teleologischen Interpretation weder vorrangig noch nachrangig ist) der Streichungen in sieben ArbVG-Paragrafen, teleologische Erwägungen führen meines Erachtens aber zu einem Ergebnis „contra Gesetzesmaterialien“.

Bei nur sehr vereinzelten und kurzen, nicht dauerhaften Zuarbeiten durch HeimarbeiterInnen im weiteren Sinne wäre es zudem unverständlich und mit dem telos der Betriebsdemokratie nicht vereinbar, wenn eine unüberschaubar große Zahl an „externen ZuarbeiterInnen“ Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen stark beeinflussen oder gar dominieren könnte.[66]Als weiteres teleologisches und vor allem logisch-systematisches Argument der Interpretation jener sieben Gesetzesstellen des ArbVG, aus denen der wörtliche Verweis auf § 27 HeimAG (alt) beseitigt wurde, ist anzuführen, dass als Voraussetzung für das aktive Betriebsrat-Wahlrecht in § 52 Abs 1 ArbVG die Beschäftigung an zwei Stichtagen gegeben sein muss: am Tag der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands sowie am Tag der Betriebsratswahl. Die Zufälligkeit, dass ein/eine sehr selten beschäftigter/beschäftigte HeimarbeiterIn, die zB bloß an vier Halbtagen pro Jahr für ihren/ihre AuftraggeberIn arbeitet, an diesen beiden Tagen ihre „Halb-Arbeitstage“ hatte und nun aktiv wählen darf, kann als argumentum ad absurdum für die Auslegung der §§ 49, 50, 52, 117 und 124–126 ArbVG ins Treffen geführt werden. Ebenso absurd wäre ein Freistellungsanpruch des Betriebsrats gemäß § 117 Abs 1 ArbVG bei beispielsweise 30 StammarbeitnehmerInnen im Betrieb, aber 125 bloß sehr selten zuarbeitenden HeimarbeiterInnen. Somit steht meines Erachtens trotz der seit 2011 entfallenden Verweise auf § 27 HeimAG (alt) in den sieben erwähnten Passagen des ArbVG der Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975 weiterhin in Geltung. Die (damalige) historische Absicht des Gesetzgebers (siehe FN 55), nämlich die Unterscheidung von „regelmäßig“ und „unregelmäßig“ beschäftigten HeimarbeiterInnen, hat – am Gesamttelos der Betriebsverfassung orientiert – nach wie vor ihre Berechtigung.[67]Das deutsche BetrVG regelt in § 5 Abs 1, dass ArbeitnehmerInneneigenschaft und aktives (§ 7) sowie passives (§ 8) Wahlrecht für jene HeimarbeiterInnen besteht, „die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten“. Bestimmend ist dafür das Verhältnis der Tätigkeit für den fraglichen Betrieb zur Tätigkeit für andere Betriebe (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 § 7 Rz 34).

Zu betonen ist dabei aber, dass diese Unterscheidung nur für Wahlrecht, Stimmrecht und Schlüsselzahlen bedeutsam ist. Für die Ausübung der Mitwirkungsrechte betreffend die HeimarbeiterInnen war und ist diese Differenzierung ohne Relevanz: Der Betriebsrat ist berufen, sämtliche HeimarbeiterInnen mitzuvertreten (vgl § 36 Abs 1 ArbVG), egal in welchem Umfang, in welcher Arbeitsdichte oder Arbeitsfrequenz sie für BetriebsinhaberInnen (AuftraggeberInnen bzw Arbeit[ver]geberInnen) tätig sind.

c. Gründe für die bloße Teil-Gleichstellung von HeimarbeiterInnen

Warum differenziert nun das ArbVG bei dieser disloziert arbeitenden „Randbelegschaft“, die im Regelfall keine Arbeitsverträge hat, in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht in vierfacher Weise (keinerlei Berücksichtigung/unregelmäßige Beschäftigung/regelmäßige Beschäftigung/volle Gleichstellung mit vertragsrechtlichen ArbeitnehmerInnen) und etabliert somit partielle Gleichstellungen mit der sich in „Normalarbeitsverhältnissen“ befindenden Stammbelegschaft der AuftraggeberInnen? Die Gesetzgebungsmaterialien der Stammfassung des ArbVG, wo ja HeimarbeiterInnen erstmals zum Kollektiv der betrieblich Beschäftigten hinzugenommen wurden, treffen zu dieser Frage einige Erläuterungen, vor allem hinsichtlich Homogenität der Interessen.[68]„Arbeitnehmer im Sinne des § 36 Abs 1 sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch Heimarbeiter. […] Die zweifellos vorhandene Sonderstellung der Heimarbeiter rechtfertigt nicht deren Ausnahme von der Betriebsverfassung, da ihre Interessen im grundsätzlichen nicht von den Interessen der übrigen Arbeitnehmer abweichen. Auf ihre Sonderstellung wird durch Beschränkung des Stimmrechts in der Betriebsversammlung (§ 49 Abs 1) und des aktiven Wahlrechts (§ 52 Abs 2), Ausschluss vom passiven Wahlrecht § 53 Abs 3 Z 3 ArbVG) und in der Weise Bedacht genommen, dass Heimarbeiter grundsätzlich nicht auf die für die Zahlengrenzen relevanten Beschäftigungszahlen angerechnet werden.“ (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt; ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 69 und 143; AB 1544 BlgNR 13. GP 143); siehe auch Lindmayr, Handbuch der Arbeitsverfassung (2015) 60; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36, nach dem Gesetzestext. Ein Mindestmaß an Beschäftigung und damit Bedeutung für die arbeitstechnische Betriebsorganisation ist aber meines Erachtens Voraussetzung für „volles“ (der Stammbelegschaft gleichgestelltes) Stimmrecht in Betriebsversammlungen, für das aktive Wahlrecht und für die Berücksichtigung bei Größe und Freistellungsgrenzzahlen des Betriebsrats und Jugendvertrauensrats.

Grund und Normzweck für die „selektive“ Teil-Gleichstellung von HeimarbeiterInnen mit StammarbeitnehmerInnen des Betriebs kann meines Erachtens nur sein, dass die betrieblichen Vertretungsorgane, allen voran der Betriebsrat, eine entsprechende Größe (Mitgliederstärke) und entsprechende Kompetenzen und Aufgaben (zB Anregungen der regelmäßigen HeimarbeiterInnen in der Betriebsversammlung entgegennehmen) haben sollen, wenn die betriebliche „Stammbelegschaft“ relativ klein, die Zahl der disloziert zuarbeitenden HeimarbeiterInnen aber relativ groß ist. Motiv der Gesetzgebung (des ArbVG 1974 sowie der HeimAG-Novelle 1975) für die Beibehaltung der Differenzierung regelmäßig/unregelmäßig könnte zudem gewesen sein, dass ebenso wie bei den überlassenen Arbeitskräften eine gewisse Dauerhaftigkeit (und Kalkulierbarkeit) der Beschäftigung und der zugelieferten Arbeitsmengen vorhanden sein müsse, um das Organ Betriebsrat entsprechend „zu vergrößern“. Ein weiterer Normzweck ist der Ausklammerung aus § 53 ArbVG (passives Wahlrecht) zu entnehmen: Selbst HeimarbeiterInnen mit engen Bezug zum Betrieb (da regelmäßig beschäftigt) sollen an der internen Willensbildung und Mandatsermittlung der „vor Ort“ arbeitenden Stammbelegschaft nicht als Organmitglieder teilnehmen können. Wählbar soll nur jemand sein, der/die als Gegenüber des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin im Betrieb regelmäßig anwesend ist – und das, von Saisonbeschäftigten abgesehen,[69]Vgl § 53 Abs 5 und Abs 6 ArbVG. seit zumindest sechs Monaten (vgl § 53 Abs 1 Z 2 ArbVG).

d. Parallelen und Unterschiede zwischen Crowd- und HeimarbeiterInnen

Auf den ersten Blick fallen virtuelle CrowdworkerInnen, die wie im obigen Beispiel mit taggen (katalogisieren, beschreiben) und mit dem Übersetzen von Kfz-Komponenten beschäftigt sind, nicht unter den HeimarbeiterInnenbegriff. Denn es müssten gemäß § 2 Z 1 HeimAG „Waren“ hergestellt, beoder verarbeitet bzw verpackt werden. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass die Rspr sowohl hinsichtlich des Warenbegriffs als auch punkto manueller Tätigkeit mitunter großzügig war und sowohl das Adressieren von Briefumschlägen als auch das Zusammenfassen von Adressen als Gegenstand der Heimarbeit anerkannte.[70]VwGH 606/66, Arb 8256; VwGH 0598/72, VwSlg 8406 (A); siehe auch FN 7 und 35. Der VwGH legt den Begriff „Waren“ zwar so weit aus, dass minderqualifizierte Schreibarbeiten unter den Geltungsbereich des HeimAG subsumiert werden können, qualifizierte Tätigkeiten wie Übersetzungsarbeiten jedoch nicht.[71]VwGH 27.10.1972, 0835/72; eingehend Ritzberger-Moser/Widorn, HeimAG 1960 (1995) 15 ff; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 15; besonders ausführlich Warter, Crowdwork 203 ff (226).

Seit vielen Jahren (beginnend mit der StGB-Novelle BGBl 1987/605) sind aber zB Softwareprogramme und digitalisierte Informationen zumindest strafrechtlich den „Sachen“ (§§ 285 ff ABGB) gleichgestellt (vgl §§ 126a und 126b StGB), weshalb sich die Frage stellt, warum das durch simple clicks und ohne höhere intellektuelle Leistung erfolgende Bearbeiten, Testen und Verbessern von Software oder Websites nicht den gleichen Tätigkeiten an „Waren“ entsprechen soll. Auch der Warenbegriff des Unternehmensrechts (§§ 373 ff UGB) erfasst „Energie“ oder „Standardsoftware“.[72]Zöchling-Jud in Torggler, UBG2, § 381 Rz 2, zitiert nach Warter, Crowdwork 229 ff.

Zurück zu unserem Ausgangsfall: Auf die Frage, welche Mitwirkungsrechte für die InhaberInnen sämtlicher betroffener Arbeitsplätze (im Betrieb Linz und auf der Internet-Plattform) bestehen, kann in Anbetracht der uneinheitlichen, fast schon kautelarischen Judikatur zum HeimarbeiterInnenbegriff keine abschließende Antwort gegeben werden. Sicher ist aber: Für die Stammbelegschaft in Linz kann vom örtlichen Betriebsrat jedenfalls über die §§ 89–91 und 108–110 ArbVG einiges an Mitgestaltung bei der geplanten Arbeitsorganisations-Änderung bewirkt werden. Ob darüber hinaus der Betriebsrat auch zugunsten der „KollegInnen im Cyberraum“ mitbestimmen und mitgestalten kann, ist meines Erachtens zumindest bei einigen spezifischen Mitwirkungsrechten zu bejahen. So können nach meinem Dafürhalten gemäß §§ 98 und 99 ArbVG Empfehlungen für die Anzahl der CrowdworkerInnen und deren Qualifikationsanforderungen abgeben werden, kann sich der Betriebsrat mit dem/der BetriebsinhaberIn über einzelne Engagements beraten, die ja über die Plattform „GW ltd.“ vermittelt werden und können nach § 89 ArbVG Kontrollen der Entgelte oder der Meldungen zur Sozialversicherung vorgenommen werden. Sicher ist das mangels einschlägiger und klarer Rsp aber nicht.

2.4.3 Mittelbare Arbeitsverhältnisse und Betriebsverfassung

In der Lehre[73]Floretta/Strasser aaO 222. Vgl zu diesen „Gruppenarbeitsverhältnissen“ auch Löschnigg, AR12 221 f. wird vertreten, dass zB MusikerInnen, die in einem unmittelbaren Arbeitsverhältnis zu einer Kapellmeisterin stehen oder Ziegelarbeiter, deren unmittelbares Arbeitsverhältnis mit einem „Ziegelmeister“ besteht, dann dem Betrieb der Arbeitsergebnis-VerwerterInnen angehören, wenn das Rechtsverhältnis des Kapellmeisters oder der Ziegelmeisterin mit dem/der BetriebsinhaberIn ein ausreichend stabiles ist, sodass man von einer engen Bindung an dessen/deren Betrieb sprechen kann. Gigworker können also durchaus mit der Crowd einer Musikkapelle oder mit extern zuarbeitenden MitarbeiterInnen verglichen werden; Zwischenmeisterin ist hier die plattformbetreibende juristische Person, die ja in der Regel ein stabiles Rechtsverhältnis zu den ArbeitvergeberInnen haben wird. Unter Heranziehung dieses Arguments können CrowdworkerInnen daher auch zum Betrieb von CrowdsourcerInnen zugeordnet werden, wobei für das aktive Wahlrecht und Stimmrecht meines Erachtens analog das Regelmäßigkeits-Beschäftigungsausmaß (siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“) heranzuziehen wäre.[74]Bei nur sehr vereinzelten und kurzen, nicht dauerhaften Zuarbeiten wäre es unverständlich und mit dem Telos der „Betriebsdemokratie“ nicht vereinbar, wenn eine unüberschaubar große Zahl an „externen ZuarbeiterInnen“ Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen stark beeinflussen oder gar dominieren könnte.

2.4.4 Arbeitskräftepool und Betriebsverfassung

Fallweise beschäftigte Personen sind nach den §§ 471a ff ASVG jene, die in unregelmäßiger Folge tageweise bei denselben DienstgeberInnen beschäftigt werden, sofern dies für einen kürzeren Zeitraum als eine Woche vereinbart ist.[75]Zu sozialversicherungsrechtlichen Aspekten dieser Beschäftigungsform siehe Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“. Diese Bestimmung tritt freilich am 31.12.2017 außer Kraft. Gegenstand der Rsp waren in den letzten Jahren vor allem der wegweisende Fall Peek & Cloppenburg,[76]OGH 08.08.2002, 8 ObA 277/01w, DRdA 2002, 505 (Mosler); 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz). wo es um sogenannte „Bedarfsarbeitsverträge“ bzw Arbeit auf Abruf ging, der Fall einer Expeditarbeiterin aus einem Pool von 43 Personen[77]OGH 8 ObA 87/10t, Arb 13.011. sowie mehrere Fälle von fallweisen KellnerInnen-Arbeiten auf Abruf, welche die gleiche Diskothek in der Steiermark betrafen.[78]OGH 8 ObA 32/13h, 8 ObA 50/13f, 8 ObA 8/14f; 9 ObA 153/13k, 9 ObA 154/13g; wenn auch in den Diskothek-Fällen nach einem gewissen „Dienstplan“, der aber seitens der Arbeitskräfte problemlos verändert werden konnte. Wie M. Friedrich (ASoK 2006, 12), Ogriseg (ZAS 2014/51) und Mosing (ZAS 2014/41) festhalten, differenziert der OGH nach der „Dichte“ der tatsächlichen Inanspruchnahme der ArbeitnehmerInnen, also nach der Frequenz der Arbeitseinsätze. Aber schon die Rechtssache eines fallweise, aufgrund eines Rahmenarbeitsvertrags immer wieder engagierten Detektivs [79]OGH 28.08.1997, 8 ObA 2347/96x. hatte gewissermaßen eine „Bedarf-Konsens-Vereinbarung“ als Grundlage gehabt und war – noch vor der umfassenden Einbeziehung freier Dienstverhältnisse und neuer Selbständiger in die Sozialversicherung im Jahre 1998 – zu einem gewissen Präjudiz für nachfolgende Entscheidungen zu Arbeit auf Abruf oder Rahmenarbeits(konditionen)vereinbarungen geworden.

Der OGH differenziert in diesen Fällen (zwei Entscheidungen, nämlich die Vorlage-Entscheidung aus 2002[80]OGH 8 ObA 277/01w, DRdA 2002/48 (Mosler). und die Entscheidung 2004[81]OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz). zum damals etwa 800 Personen umfassenden Pool des Bekleidungshauses Peek & Cloppenburg, betrafen den gleichen Fall) danach, ob eine bloße Rahmenkonditionen-Vereinbarung vorliegt und praktiziert wird, oder aber ein Rahmenarbeitsvertrag. Zu unterscheiden ist nach der Rsp, ob die Pool-ArbeitnehmerInnen selbst gewählt – und ohne Sanktion bei Ablehnung – nur sporadisch zur Abdeckung von Belastungsspitzen aus dem Pool abgerufen werden (= Rahmenkonditionenvereinbarung), oder ob sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs in gewisser Regelmäßigkeit eingesetzt werden (= Rahmenarbeitsverhältnis). Das Höchstgericht war aber nicht mit der Frage befasst, inwieweit die auf Abruf bereitstehenden ArbeitnehmerInnen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn zur Belegschaft der fallweise abrufenden Betriebsinhaberin zählen.

Meines Erachtens wird auch hier zwischen Unregelmäßigkeit und Regelmäßigkeit der tatsächlichen Einbindung in die Betriebsorganisation zu differenzieren sein, analog dem 1975 außer Kraft gesetzten, für das ArbVG aber gemäß Art III BGBl 303/1975 noch immer geltenden § 27 HeimAG (alt). Anknüpfungsfähig ist dafür meines Erachtns die oben in Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“ dargestellte „13 aus 39 Wochen-“ bzw „26 aus 78-Wochen-Regelung“: Etwa ein Drittel des Arbeitszeitumfangs eines/einer typischen Stammarbeitnehmers/Stammarbeitnehmerin wäre vorauszusetzen[82]Dies ist in Unternehmen, die typischerweise viele Teilzeitbeschäftigte im Stammpersonal führen, gar nicht so viel., um diese Pool-ArbeitnehmerInnen auch bei Betriebsratswahlen aktiv mitwählen zu lassen. Für die (stimmrechtslose) Teilnahme an Betriebsversammlungen und die Ausübung der meisten Mitwirkungsrechte gegenüber den jeweiligen BetriebsinhaberInnen wäre jedoch, analog der Regelung in § 36 Abs 1 ArbVG betreffend HeimarbeiterInnen, keine Mindestbeschäftigungs-Dichte, dh kein regelmäßiges Abrufen ihrer Arbeitskraft aus dem Pool, Voraussetzung. Hingegen wäre das passive Wahlrecht zum Betriebsrat von Pool-MitarbeiterInnen, selbst bei mehr als sechsmonatiger Beschäftigung im Rahmen des Betriebs (§ 53 Abs 1 Z 2 ArbVG) meines Erachtens nur dann gegeben, wenn Arbeitszeit oder Arbeitsmenge der Pool-Arbeitskräfte zu mindestens einem Drittel jener der BetriebsarbeitnehmerInnen entsprechen.[83]Im Unterschied zu HeimarbeiterInnen sind Pool-ArbeitnehmerInnen ja tatsächlich (fallweise) vor Ort im Betrieb tätig; deshalb muss die Analogie zu § 27 HeimAG (alt) bzw ein Analogieschluss aus Art III BGBl 303/1975 hier meines Erachtens anders ausfallen. Aus dem Pool der über Linz und Dublin koordinierten sowie der so organisierten Crowd wären dann bloß die Intensiv-CrowdworkerInnen im Betrieb Linz aktiv wahlberechtigt.

2.4.5 ArbeitnehmerInnen in Betriebsteilen (Arbeitsstätten) im Ausland

Grundsätzlich gilt das Territorialitätsprinzip, weshalb die §§ 33 ff ArbVG nur für inländische Arbeitsstätten, Betriebe, Unternehmen und Konzerne Anordnungen treffen können.[84]Strasser in Jabornegg/Resch/Strasser, ArbVG § 33 Rz 17. Was aber die Zugehörigkeit ausländischer Arbeitsstellen oder einzelner im Ausland beschäftigter ArbeitnehmerInnen zu einem inländischen Betrieb betrifft, sind zwei höchstgerichtliche Entscheidungen von Bedeutung.

Die Entscheidung OGH 9 ObA 88/97z[85]OGH 9 ObA 88/97z, DRdA 1998, 183 (Hoyer); siehe auch Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47 und § 36 Rz 18; Kallab in ZellKomm2 § 49 Rz 3 f. betraf Außendienstmitarbeiter im Ausland: „Wesentlich für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 36 Abs 1 ArbVG erfüllt sind, ob also ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Betriebes beschäftigt ist, ist in welchem Ausmaß eine Eingliederung in den Betrieb erfolgt. Es gibt in vielen Betrieben Beschäftigte, die außerhalb des Betriebes tätig sind (zB die angestellten Reisenden etc.). Solche Personen zählen trotz der ständigen räumlichen Trennung vom Betrieb zu den Arbeitnehmern im Sinne des II. Teiles des ArbVG. Die Forderung des Gesetzes nach Beschäftigung im Betrieb darf in diesem Fall nicht lokal gedeutet werden (Strasser, Handkommentar 222 f ). Zu prüfen ist jeweils, ob der betreffende Arbeitnehmer, wenn er nicht am Betriebsort tätig ist, in einer so engen Beziehung zum Betrieb steht, daß er als dem Betrieb noch zugehörig betrachtet werden kann, ob er ungeachtet seiner außerhalb der Betriebsstätte verrichteten Tätigkeit noch als Glied der betrieblichen Organisation gesehen werden kann.

Dabei ist zu beachten, daß unter Berücksichtigung der nunmehr zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten eine organisatorische Eingliederung disloziert tätiger Dienstnehmer in viel weiterem Umfang möglich ist als in der Vergangenheit, als die Kontaktaufnahme auf größere Entfernungen wesentlich schwerer möglich war. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Die Auslandsmitarbeiter führen mehrmals wöchentlich mit ihrem Vorgesetzten Gespräche über alle wesentlichen Fragen ihrer Tätigkeit, eine Kommunikation, die, abgesehen vom persönlichen Kontakt, vermutlich nicht anders ablaufen würde, wenn sie im Bereich des Betriebsstandortes tätig wären. Der Umstand, daß es sich um ausländische Staatsbürger handelt, die ihre Tätigkeit im Ausland verrichten und persönlich nur selten in den Betrieb kommen, ändert nichts daran, daß es sich bei den betroffenen Mitarbeitern um Angehörige des Betriebes der beklagten Partei im Sinne des § 36 ArbVG handelt.“ (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt)

In der Entscheidung des OGH 9 ObA 54/09w wird unter Bezugnahme auf die soeben zitierte Entscheidung weiter vertieft: „Dabei ist jeweils zu prüfen, ob der betreffende Arbeitnehmer in einer so engen Beziehung zum Betrieb steht, dass er als dem Betrieb noch zugehörig betrachtet werden und ob er ungeachtet seiner außerhalb der Betriebsstätte verrichteten Tätigkeit noch als Glied der betrieblichen Organisation gesehen werden kann. In dem Zusammenhang ist zu beachten, dass unter Berücksichtigung der nunmehr zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten eine organisatorische Eingliederung disloziert tätiger Dienstnehmer in viel weiterem Umfang möglich ist als in der Vergangenheit, als die Kontaktaufnahme auf größere Entfernungen wesentlich schwerer möglich war […]. Der Kläger erhielt für seine Arbeitstätigkeit im Ausland auch Aufwandersatz und Diäten, die über das Werk in Graz abgerechnet wurden. Sowohl die Lohnverrechnung als auch sämtliche Personalangelegenheiten in Bezug auf den Kläger wurden über das Werk in Graz abgewickelt. Angesichts dieses Sachverhalts […] [ist] der Kläger (im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn) als Arbeitnehmer des Betriebs der Beklagten in Graz anzusehen (§ 36 ArbVG)“. (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt)

Auf unseren Fall übertragen ist jedenfalls festzuhalten, dass der Betrieb Linz in Zusammenhang mit der Beschäftigung der externen CrowdworkerInnen über die in Irland ansässige Plattform nicht lokal, sondern vielmehr arbeitsorganisatorisch zu betrachten ist. Weisungen, Zielvorstellungen (Projektbeschreibung) und Arbeitsvorgaben der CC GmbH werden in der Regel von der Plattform weiterkommuniziert; sie ist insofern „Anwerberin“ und Kommunikationsmedium (sowie Transport-Dienstleisterin für digitale Arbeitsergebnisse) im Auftrag der Stammbetriebsinhaberin. Sollten nicht ohnehin beide Unternehmen als gemeinsame Betriebsinhaberinnen des um den virtuellen Raum erweiterten Linzer Betriebs sein (siehe Abschnitt „Wer ist BetriebsinhaberIn?“), dann könnten zumindest die entsprechend häufig oder umfangreich zuarbeitenden CrowdworkerInnen (die „Regelmäßigkeit“ wäre anhand von Arbeitsmenge oder Arbeitszeit zu beurteilen) zur Belegschaft des Linzer Betriebs zu zählen sein.

Denn die CrowdworkerInnen arbeiten ja nicht einmal im Ausland, sondern befinden sich (vielfach) bloß dort, mitsamt den technischen Geräten und sonstigen Betriebsmitteln, die sie zum Komponenten-Beschreiben (taggen) oder zum Übersetzen einsetzen. Der Raum, in dem sie arbeiten, ist aber weder in Irland noch in Österreich noch im Aufenthaltsstaat der einzelnen CrowdworkerInnen zu verorten. „Digitale Nomaden“ arbeiten in geografisch nicht festzumachenden digitalen Räumen; ihre Zuarbeiten (Arbeitsergebnisse) kommen in unserem Fall eindeutig im Betrieb Linz an, wo sie dann von der Arbeitvergeberin und Betriebsinhaberin CC GmbH verwertet werden können.

Alternativ könnte sich ein Betrieb „Plattformarbeiten für die CC GmbH“ abzeichnen, da hier punkto Arbeitsorganisation, Betriebsmittel und Betriebszweck eine gewisse Abgeschlossenheit und Eigenständigkeit besteht, wenn zB 50 CrowdworkerInnen aus verschiedenen Staaten am selben Projekt arbeiten. Das Projekt, gekennzeichnet durch die Arbeitsaufträge und deren Ergebnis-Rückführung nach Österreich wäre dann unter Umständen als Betrieb zu betrachten, zumindest wenn es eine gewisse Dauerhaftigkeit und „Einheitlichkeit der Arbeitsorganisation“ aufweist. Die bereits dargestellten Rechtsbehelfe der §§ 34 Abs 2 und 35 ArbVG (Feststellungsklage oder Rechtsgestaltungsklage, ob/dass ein Betrieb vorliegt) könnten sich als nützlich erweisen.

Falls sich eine mindestens fünf Personen umfassende Crowd in einen gemeinsamen Co-Working-Space (Mieträumlichkeiten, typischerweise für Soloselbständige oder Kreative angeboten) einmietet, dann könnte – vor allem bei entsprechender Bedeutung des Standorts für die Organisation bzw Koordination der Gig-Tasks – hier der Betrieb zu verorten sein. Dies umso eher, wenn diese Crowd in gewisser Dauerhaftigkeit und in arbeitsorganisatorischer Einheitlichkeit am gleichen Projekt (= Betriebszweck) arbeitet.

2.5 Mitwirkungsrechte zur Vertretung von Belegschaft und Randbelegschaft (Arbeitskräftepool)

Zu untersuchen ist nun, wie sich der Betriebsrat – und „betriebsübergreifend“ der Zentralbetriebsrat, die Konzernvertretung oder der Europäische Betriebsrat (§§ 113, 171 ff ArbVG) – für die Belegschaft einsetzen können. Insbesondere stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich die Organe der Arbeitnehmerschaft, je nach Zuständigkeitsebene, für die über die Plattform zuarbeitenden Belegschaftsgruppen engagieren könnten.

Die CC GmbH beschäftigt deutlich mehr als 300 ArbeitnehmerInnen und hat daher gemäß § 29 GmbHG einen Aufsichtsrat, in dem der Zentralbetriebsrat ein Drittel der Sitze innehat; von wenigen Ausnahmen abgesehen haben die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen im Aufsichtsrat die gleichen Rechte und Pflichten wie die von der Generalversammlung der GmbH entsandten KapitalvertreterInnen (§ 110 Abs 3 ArbVG). Allerdings sitzen die Unternehmens-EignerInnen (hier: die CC Holding AG in Deutschland, die sämtliche Gesellschaftsanteile in der Generalversammlung der österreichischen GmbH hat) bei Struktur- und Organisationsentscheidungen vor allem aus folgendem, verfassungsrechtlich abgesicherten Grund am längeren Hebel: Es bestehen für die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen sowohl auf Betriebsebene (ArbVG) als auch im Aufsichtsrat (hier sind vor allem das GmbHG und UGB maßgeblich) wegen der bloßen Drittel-Repräsentation von ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen keine „Veto“-Möglichkeiten oder Unterlassungsansprüche[86]Lediglich § 111 Abs 2 ArbVG sieht für den Fall eines laufenden Branchen-Schlichtungskommissions-Verfahrens aufgrund Einspruchs des Betriebsrats ein maximal vierwöchiges Stillhaltegebot des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin vor, falls dieser/diese eine Betriebsstilllegung plant. nach dem kollektiven Arbeitsrecht oder dem Gesellschaftsrecht. Das Arbeitsrecht ist hier meist schwächer als die Grundrechte jeder UnternehmerIn auf Freiheit des Eigentums (an Produktionsmitteln) und auf Erwerbsfreiheit.[87]Näher siehe Öhlinger, Verfassungsrechtliche Probleme der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen (1982); Pernthaler, Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung (1984). Beim Crowdsourcing und ähnlichen webbasierten Arbeitsformen der Gig-Economy wäre nun aufgrund der Verfügungsmacht des Eigentümers/der Eigentümerin (hier: CC Holding AG, BRD) zu befürchten, dass VergeberInnen-Belegschaften sowie Plattform-Belegschaften (Gigworker-Pools auf Abruf) noch geringere Mitgestaltungsmöglichkeiten und durchsetzbare Mitwirkungsrechte vorfinden könnten. Ein genauer Blick in den Katalog an kollektiven Mitbestimmungsrechten, aber auch in die Möglichkeiten der Vorab-Prüfung zustimmungspflichtiger Geschäfte im Aufsichtsrat (§ 30j Abs 5 GmbHG),[88]Es liegen zwar meines Erachtens die zustimmungspflichtigen Maßnahmen der „Veränderung allgemeiner Grundsätze der Geschäftspolitik” gemäß § 30j Abs 5 Z 8 GmbHG oder bei groß angelegtem Crowdsourcing auch die „Aufgabe von Geschäftszweigen und Produktionsarten“ (Z 7 leg cit) vor, mit bloß einem Drittel der Stimmen können aber die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen im Aufsichtsrat gegen die Mehrheit der deutschen Mutter-Stimmen nichts verhindern. zeigt hingegen, dass für die betroffene Belegschaft vor Ort, unter Umständen aber auch für die betroffene Randbelegschaft, einiges bewirkt werden kann.

Sollten in unserem Ausgangsfall der Betriebsrat Linz und der Zentralbetriebsrat bloß ihre (Stamm-)WählerInnen vor Augen haben und die zuarbeitende Crowdbelegschaft völlig ignorieren, wären sie schlecht beraten. Denn durch Lohndumping-Druck (es entsteht über die Plattform eine nicht kollektivvertraglich gebundene, zweite Entgeltlinie), durch allfällige Qualitäts- und Kompetenzverluste für das Unternehmen und den Standort, durch Daten-Auslagerung auf die Plattform und weitere Begleiterscheinungen des Crowdsourcens (Erhöhung des Arbeitsdrucks, Qualitätskontrolldruck auf verbleibende ArbeitnehmerInnen) kann eine Gefährdung der Zukunftsperspektive der Standorte in Oberösterreich entstehen.[89]Klebe, Workers of the crowd unite?, in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft (2015) 278 ff. EU-rechtlich vgl insbesondere Art 4 RL 2002/14/EG, Art 7 RL 2001/23/EG und Art 2 RL 98/59/EG.

2.5.1 Mitwirkungsrechte zugunsten der Stammbelegschaft des Betriebs Linz

Der/Die BetriebsinhaberIn (hier: das unternehmensintern bevollmächtigte Management des Betriebs Linz) hat den Betriebsrat bereits am Beginn des Planungsstadiums über die beabsichtigte Änderung der Arbeits- und Betriebsorganisation sowie Einführung neuer Arbeitsmethoden (§ 109 Abs 1 Z 4 und Z 5) zu informieren. Über geplante Betriebsänderungen, Betriebsübergänge, Arbeitsorganisationsänderungen und andere Planungen, die relevant für Arbeitsverträge oder Arbeitsplätze sein können[90]Resch in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 108 Rz 38; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 108 Rz 27,, sind sodann auf Verlangen des Betriebsrats Beratungsgespräche anzuberaumen und im Sinne des Gesetzeszwecks zu führen. Unter „Beginn der Planung“ ist jenes Stadium zu verstehen, in dem der/die BetriebsinhaberIn (hier: die GeschäftsführerInnen bzw sonstige zuständige ManagerInnen der CC GmbH) die Veränderungsmaßnahme „Crowdsourcing von Arbeiten“ (= neue Arbeitsmethode bzw gravierend veränderte Arbeits- und Betriebsorganisation) ernsthaft in Erwägung zieht und zu deren Vorbereitung die ersten konkreten Schritte setzen will. Nur wenn der/die ArbeitgeberIn bzw der/die BetriebsinhaberIn am Beginn der Planung gewisser Crowdsourcing-Maßnahmen den Betriebsrat ausführlich informiert, geforderte Unterlagen übermittelt und mit dem Betriebsratsgremium bzw dem/der Betriebsratvorsitzenden darüber Gespräche führt, wird dem gesetzlichen Fälligkeitszweck entsprochen:[91]§ 109 Rz 5; in diesem Sinne auch OGH 9 ObA 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger) – Mystery Flyer. Der Betriebsrat muss die Möglichkeit haben, eine Stellungnahme (zB die Beurteilung möglicher Auswirkungen auf die Arbeits- und Entgeltbedingungen der StammarbeitnehmerInnen in Linz, über soziale Abfederungsmaßnahmen im Fall von Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, über Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Crowdwork-Bezahlung, vor allem aber Alternativvorschläge enthaltend) zur geplanten Maßnahme abzugeben (§ 109 Abs 1 Satz 1 ArbVG).

Die Judikatur hat dazu Leitsätze entwickelt. Insbesondere in der OGH-Entscheidung 9 Ob A 135/09g („Mystery-Flyer“)[92]OGH 9 Ob A 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger); siehe auch Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 91 Rz 8 ff. wurden bestimmte Anforderungen an die Tiefe und Genauigkeit der Informationen betont. Reichen die speziellen Informationsrechte der hier aufgrund der geplanten Arbeitsorganisationsänderungen relevanten §§ 108 f ArbVG nicht aus, um dem Betriebsrat die Interessenvertretung zu ermöglichen, dann sei auf die allgemeine Information-Rechtsgrundlage des § 91 ArbVG zurückzugreifen; dazu führt der OGH Folgendes näher aus:

  • Der/Die BetriebsinhaberIn muss den Betriebsrat über alle Angelegenheiten informieren, welche die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der ArbeitnehmerInnen im Sinne möglicher Auswirkungen berühren.
  • Die Konkretheit der Anfrage beeinflusst die Informationspflicht des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin: Je mehr die Anfrage spezifiziert ist, desto genauer muss die Information
  • Zweck der Informationsrechte ist es ganz allgemein, der Belegschaft zu ermöglichen, auf betriebliche Entwicklungen zu reagieren, diesbezügliche Auswirkungen abzuklären und Vorschläge zu erstatten. Insbesondere soll der/die BetriebsinhaberIn nicht aus Überraschungseffekten, Zeitnot, Desorientierung der ArbeitnehmerInnen oder auch „vollendeten Tatsachen“ Vorteile ziehen können.
  • Die Inhalte der Information müssen von dem/der BetriebsinhaberIn den Umständen nach angemessen (im Sinne eines branchenadäquaten betriebswirtschaftlichen Standards) gestaltet werden, dh die Thematik vollständig abhandeln und aufschlussreich Die Information muss in einer Weise geboten werden, die dem Betriebsrat eine nachhaltige Kenntnis der dargelegten Inhalte eröffnet. Sie muss für den jeweiligen Zusammenhang rechtzeitig erfolgen.
  • Auf Verlangen sind dem Betriebsrat die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 108 Abs 1 ArbVG).

Im Zusammenhang mit der Diskussion (das ArbVG spricht von „Beratung“ oder „Anhörung“) über die Möglichkeiten einer abweichenden Gestaltung oder über Alternativen zum geplanten Crowdsourcing stehen die personellen und wirtschaftlichen Mitwirkungsrechte nach §§ 98 f (Vorschläge und Beratung zum Personalbedarf, zur Personaleinstellung etc), § 108 Abs 1 u 3 sowie § 110 ArbVG (Mitwirkung an der Personalplanung in Form von Alternativ-Personalplänen, Investitionsplan-Besprechungen, Analysen von Quartals- und Jahresbilanzen hinsichtlich alternativer Kostenreduktionsmöglichkeiten auf Betriebs- und Aufsichtsratsebene etc; einschlägige Unterlagen sind dem Betriebsrat auf Verlangen auszuhändigen) zur Verfügung.

Da das Auslagern von Arbeiten erfahrungsgemäß zu Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen führen kann, könnte gemäß § 101 ArbVG eine verschlechternde Versetzung auch gegen den Willen der betroffenen ArbeitnehmerInnen vom Betriebsrat beeinsprucht werden – falls sie für mehr als 13 Wochen geplant ist. Der/Die BetriebsinhaberIn könnte dann nur mittels erfolgreicher Klage die geplante Versetzung durchsetzen. Auf diese Weise könnten ArbeitnehmerInnen, die sich (unter Druck gesetzt oder tatsächlich freiwillig) für die intern crowdgesourcten Arbeiten melden, gewissermaßen vor sich selbst geschützt[93]Weil individuelles Nachgeben und Verzichten mittelbar zu kollektiven Verschlechterungen führen könnte. werden. Die kollektive Ablehnungsmöglichkeit des Betriebsrats (falls die crowdgesourcten Tätigkeiten als „verschlechternd“ einzustufen sind) bewirkten hier, ganz im ursprünglichsten Sinn der kollektiven Interessenbündelung, eine solidarische Sperrwirkung zum Schutz der Gesamtbelegschaft. Was alternative Formen der Organisation von Arbeitsläufen konkret betrifft, kann der Betriebsrat gemäß § 109 Abs 1 ArbVG schriftliche oder mündliche Vorschläge, Forderungen (nach sozialen Abfederungsmaßnahmen), Kosten-Nutzen-Analysen uÄ vorlegen. Der Betriebsrat oder der Zentralbetriebsrat wird dazu umso fundierter in der Lage sein, je häufiger und tiefergehend er in unternehmerische Entscheidungsprozesse eingebunden ist, was bei der CC GmbH neben den Informations- und Beratungsgesprächen nach §§ 108 f ArbVG wohl über die Mitwirkung im Aufsichtsrat gemäß § 110 ArbVG der Fall ist. Bei aufsichtsratslosen Unternehmen wird dies aber wohl nur über den Einspruch gegen die Wirtschaftsführung gemäß § 111 ArbVG bewerkstelligt werden können.

Weitere Alternativvorschläge kann der (Zentral-)Betriebsrat daraus entwickeln, dass er nach § 95 ArbVG (Ausbildungsvorschläge, Schulungs- und Weiterbildungs-Planung, Schulungseinrichtungen und deren Ausbildungspläne mitgestalten usw) in Beratungen über die Aus- und Weiterbildung des Personals am Standort Linz treten kann, um mit besser geschultem Personal die Arbeitsschritte (und Arbeitsplätze) von der Plattform wieder zurück nach Linz zu holen. Aber auch betreffend die zuarbeitende Belegschaft auf der Plattform (siehe gleich unten Abschnitt „Mitwirkungsrechte zugunsten der Randbelegschaft auf der Plattform“) kann vom Betriebsrat Information und Beratung hinsichtlich ihres Ausbildungsbedarfs oder ihrer Qualifikationsanforderungen insbesondere auf Basis von § 98 ArbVG verlangt werden. Diese Mitwirkung bei Maßnahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung wird durch die Betriebsvereinbarungstatbestände des § 97 Abs 1 Z 5 u 19 ArbVG flankiert. Was die ArbeitnehmerInnendatenverwendung, allfällige Beurteilungsmechanismen oder Kontrollen digitaler Art betrifft, aber auch bei Stückentgelt aufgrund von Datenerfassungsverfahren, sind die §§ 96 und 96a ArbVG zu beachten (näheres siehe Kapitel „Datenschutz in der Gig-Economy“).

Das lokale, österreichische Management kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit bereits gefällten Entscheidungen seitens der deutschen Konzernzentrale rechtfertigen. Das bezweckt § 108 Abs 2 ArbVG, wonach der/die BetriebsinhaberIn der innerbetrieblichen ArbeitnehmerInnenvertretung über geplante Maßnahmen seitens des herrschenden Unternehmens bzw gegenüber dem beherrschten Unternehmen „Aufschluss zu geben“ und zu beraten hat. Alternativvorschläge des Betriebsrats müssen auch in „absolutistisch“ geleiteten Konzernen diskutiert werden.

Nach § 108 Abs 2a ArbVG sind geplante Betriebs(teil)übergänge zwischen BetriebsinhaberIn und Betriebsrat zu beraten und BetriebsinhaberInnen haben jedenfalls über den Grund für die „Outsourcing“- oder Crowdsourcing-Maßnahme, die sich daraus ergebenden Folgen für die ArbeitnehmerInnen sowie über „die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen [sozialen] Maßnahmen“ zu informieren. Ob allerdings das geplante Linzer Crowdsourcingprojekt ein Betriebsteilübergang sein könnte, wird davon abhängen, ob auch nennenswerte immaterielle Betriebsmittel (Know-how uÄ) an einen/eine anderen/andere RechtsträgerIn, hier die Plattformbetreiberin GW ltd., übergehen. Denn unter Betriebs(teil)übergang ist nach stRsp des EuGH und des OGH die betriebsmittel-verstärkte Auslagerung von (Teil-)Geschäftstätigkeiten und deren Weiterbetrieb durch einen „Erwerber“ zu verstehen.[94]Ausführlich Binder, AVRAG2 § 3 Rz 41 ff.

2.5.2 Mitwirkungsrechte zugunsten der Randbelegschaft auf der Plattform

Schon nach der Überwachungs- und Kontrollaufgabe des Betriebsrats gemäß § 89 ArbVG besteht meines Erachtens die Möglichkeit, den vertragsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Status jedes Clickworkers/jeder Clickworkerin zu überprüfen: Der Betriebsrat hat das Recht, die Bezüge aller ArbeitnehmerInnen im Sinne des § 36 ArbVG, die Einhaltung von Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, aber auch des Beschäftigungsvertrags,[95]Erst nach Einsicht in die Verträge mit den CrowdworkerInnen kann deren rechtlicher Beschäftigungsstatus überprüft werden. Ob der Betriebsrat in Arbeitsverträge Einsicht nehmen kann, ist strittig; siehe dazu Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 89 Rz 7. und weiters die Einhaltung von ArbeitnehmerInnenschutz- und Sozialversicherungsvorschriften zu überwachen. Das Vertretungsorgan kann nicht nur beim Arbeitsinspektorat oder bei Sozialversicherungsträgern intervenieren, sondern auch seine überbetriebliche freiwillige oder gesetzliche Interessenvertretung (Gewerkschaft, Kammern für AbeiterInnen und Angestellte) auf einen unklaren Vertragsstatus oder Ähnliches aufmerksam machen (§ 89 iVm § 92 Abs 2 ArbVG). Zu beachten kann dabei § 15 HeimAG (Beschränkung der Vergabe von Heimarbeit an im Betrieb Beschäftigte) sein: AuftraggeberInnen dürfen an die in ihrem Betrieb beschäftigten DienstnehmerInnen und Lehrlinge nur insoweit zusätzliche Heimarbeit ausgeben, als durch die Betriebsarbeitszeit plus Heimarbeitszeit die Grenzen der Normalarbeitszeit[96]Nicht Höchst- oder Gesamtarbeitszeit; vgl §§ 3 und 4 AZG: Nach dem – mittels Kollektivvertrag allerdings flexibilisierbaren – Grundprinzip bilden acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich die Normalarbeitszeit. nicht überschritten werden.

Der Betriebsrat hat Informations- und Beratungsrechte betreffend die Personalplanung sowie den Personalbedarf (§ 98 und § 108 Abs 1 ArbVG), und kann auch eine besondere Information (Beratung) noch vor der Einstellung von neuen Beschäftigten verlangen (§ 99 Abs 3 ArbVG). Betitelt ist § 99 ArbVG zwar mit „Mitwirkung bei der Einstellung von Arbeitnehmern“, aber mangels Gewissheit, ob es sich bei den künftig zuarbeitenden CrowdworkerInnen um ArbeitnehmerInnen oder andere Beschäftigungsformen handeln wird, besteht meines Erachtens dieser Anspruch auf „besondere Information und Beratung“ gemäß § 99 Abs 3 hinsichtlich des Vertragsstatus der CrowdworkerInnen umso mehr.

Welche weiteren Mitwirkungsrechte für die „unternehmensexterne Crowd“ (Konzern-MitarbeiterInnen oder gänzlich externe, über die Plattform angeworbene CrowdworkerInnen) bestehen, wird davon abhängen, ob diese Personen analog oder unmittelbar als HeimarbeiterInnen (regelmäßig oder bloß fallweise beschäftigt; zur Differenzierung siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“) bzw als überlassene Arbeitskräfte zu betrachten sind. Im Sinne einer Gesamtanalogie können zumindest Teile des HeimAG oder des AÜG auf CrowdworkerInnen anzuwenden sein, denn der Gesetzeszweck[97]Die Betriebsverfassung zielt ganz allgemein auf eine Abschwächung der „Alleinherrschaft“ der BetriebsinhaberInnen beim Arbeitsvollzug ab und möchte eine (bescheidene) Demokratisierung des Arbeitslebens herbeiführen (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, Einleitung XLVI und XLVII); dies gilt für prekarisierte Randbelegschaften zumindest ebenso wie für relativ stabilisierte Stammbelegschaften. und die Prinzipien der betriebsverfassungsrechtlichen Einbeziehung von Randbelegschaften sind meines Erachtens für Gig- und CrowdworkerInnen typischerweise durchaus vergleichbar. Somit sind im Wege einer Gesamt- oder Rechtsanalogie aus einer Reihe von Gesetzesbestimmungen (nicht nur des HeimAG und des AÜG) Regeln für das vom Gesetzgeber nicht bedachte (meines Erachtens liegt eine echte Lücke vor) Phänomen des Gig- und Crowdwork zu ermitteln.[98]Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre (2005) 67 f. Siehe die Abschnitte „Die betriebsverfassungsrechtliche Einbeziehung von Randbelegschaften“, „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ sowie „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“. Diese Analogie hat vor allem den Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsrecht zu berücksichtigen, das für den crowdsourcenden Betrieb gilt (vgl auch die unter den Abschnitten „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ sowie „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“ zitierten Gesetzgebungsmaterialien).

3. Erforderliches Recht: Kollektive Mitwirkung inder Gig-Economy

3.1 Anpassung der Betriebsverfassung an Arbeitsorganisationsformen der Informationsgesellschaft

Sollte sich der gegenwärtige Betriebs- oder Gemeinschaftsbetriebsbegriff nicht ohnehin auf die Stammbelegschaft plus die zuarbeitende Crowdbelegschaft erstrecken, dann ist meines Erachtens der Gesetzgeber dringend gefordert. Denn angesichts der digitalen Arbeitswelt dürfen die absoluten Grundbegriffe des kollektiven Arbeitsrechts (Betrieb, ArbeitnehmerIn, Ordnungsvorschriften usw) nicht versteinern, sondern im Gegenteil: Die Gesetzgebung hat bereits 1974 einen ziemlich elastischen Rahmen[99]Nicht nur beim Betriebs- und ArbeitnehmerInnenbegriff, sondern auch bei vielen weit formulierten Mitwirkungs- und speziell bei Betriebsvereinbarungstatbeständen. für die Ausübung kollektiver und solidarischer Mitwirkungsansprüche kreiert. Diese Elastizität gilt es zu bewahren, um nach dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft auch in der Informationsgesellschaft, trotz ständig weiterentwickelter Informations- und Kommunikationstechnologien, effektiven Rechtsschutz gewährleisten zu können.[100]Vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 Einleitung 43 f mwN.

Von großem Wert wäre in diesem Zusammenhang eine Umgehungsschutz-Reglung, wie sie das AÜG in Gestalt seines § 4 enthält (siehe Abschnitt „Zwischenergebnis: (Gig-)Work in Progress“). Nach dem „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ sollte anhand typisierter Unterscheidungsmerkmale oder -kriterien eine gesetzliche Vermutung darüber statuiert werden, wer als wirtschaftlich stark abhängige Person („Arbeitskraft“ wenn schon nicht ArbeitnehmerIn) zur Belegschaft zählt und wer als „am Aufträge-Markt selbständig und unternehmerisch agierende/r AnbieterIn“ nicht des Schutzes der Betriebsverfassung bedarf.

3.2 Der Arbeitskräftebegriff des ArbVG, des AÜG und des HeimAG erfasst auch CrowdworkerInnen

Wie schon zuvor dargelegt, spricht vieles dafür, im Wege einer Gesamt- oder Rechtsanalogie die für Heim- und LeiharbeitnehmerInnen geltenden Schutzvorschriften und Geltungsbereiche auch auf viele Formen von Gig- und Crowdwork auszudehnen. Nur jene „extern zuarbeitenden Personen“, die ein hohes Maß an tatsächlicher Selbstbestimmtheit in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht aufweisen, und die über wesentliche eigene Betriebsmittel (Hardware und vor allem auch einschlägige Software) selbständig verfügen können, wären wohl als selbständig tätige WerkunternehmerInnen, somit tatsächlich als zuarbeitende DienstleistungsunternehmerInnen zu betrachten.

3.3 Erforderliche Mitwirkungsrechte hinsichtlich der Vertretung von Arbeitskräftepools

Spezielle Mitwirkungsansprüche für fallweise Beschäftigte (die im Unklaren darüber sind, in welcher Intensität, Dauer und Form sie künftig von ihren ArbeitvergeberInnen engagiert werden) können an dieser Stelle nur angedeutet werden:

  • Die Zeit der Arbeitsbereitschaft und frustrierte Aufwendungen (etwa bei Beteiligung an einem Wettbewerb[101]ArbeitnehmerInnen schulden nach einhelliger Ansicht das Bemühen um Arbeitsergebnisse, nicht aber den Erfolg; daher sind ihre Wettbewerbs-Vorarbeiten nach der jeweils für den Betrieb oder das Unternehmen geltenden, lohngestaltenden Vorschrift abzugelten. Vgl Warter, Crowdwork, 267. oder einer Ausschreibung über die Plattform) sind ihnen branchen- und ortsangemessen im Sinne von 1152 ABGB zu ersetzen. Kollektiv überwacht und durchgesetzt werden könnte dies vor allem durch eine Erweiterung der Überwachungsbefugnisse des Betriebsrats (§ 89 ArbVG) in dem Sinn, dass sich diese nicht nur auf ArbeitnehmerInnen des Betriebs, sondern auch auf sonstige wirtschaftlich abhängig Beschäftigte erstreckt.
  • Zumindest die Ausgangs- und Basisansprüche auf Information und Beratung (vgl Art 27 EU-GRC) müssen auch für CrowdworkerInnen gegeben Auch Art 28 EU-GRC bzw Art 11 EMRK, nämlich das gewerkschaftliche Koalitionsrecht, das ja traditionell (und historisch betrachtet ausschließlich) an Betriebsbelegschaften anknüpft, darf nicht ignoriert werden.
  • Auch die Informations-, Beratungs- und Interventionsrechte der Belegschaft sollten klar und deutlich auch auf zuarbeitende Randbelegschaften erstreckt werden; es kann nicht sein, dass wie schon nach der Einführung des AÜG 1988, der Gesetzgeber zwar individualrechtlich Klarstellungen schafft,[102]Die mittlerweile auch gemeinschaftsrechtlich aufgrund der Leiharbeits-RL 2008/104/EG nötig wären. aber die kollektivarbeitsrechtliche Klarstellung bis heute
  • Regelungsstreitigkeiten sind vor die Schlichtungsstelle zu bringen, bevor die ordentliche Gerichtsbarkeit mit unklaren Zugehörigkeiten zur Betriebsbelegschaft konfrontiert Ein erzwingbarer Betriebsvereinbarungstatbestand über den Umfang der Betriebsbelegschaft – ähnlich den Betriebsgrenzen-Überprüfungsmöglichkeiten des § 34 Abs 2 und des § 35 ArbVG – wäre hier hilfreich.
  • Überwachungs- und Einsichtsrechte hinsichtlich des vertraglichen und sozialversicherungsrechtlichen Status aller Belegschaftsangehörigen sollen vorrangig von jenem Vertretungsorgan ausgeübt werden, das ohnehin für die Stammbelegschaft zuständig ist und leichteren Zugang zu den Betriebsaufwand-Informationen sowie zur Personalverwaltung hat. Solidarischer Rechtsschutz für alle Belegschaftsgruppen kann effizient wohl nur von einer einzigen, kompetenten Vertretungskörperschaft ausgeübt werden.
  • Wenn CrowdworkerInnen von AuftraggeberInnen und/oder KundInnen bewertet werden, dann sind persönliche Schutzrechte[103]§ 16 ABGB wäre insoweit zu konkretisieren. und Datenschutz-Mitwirkungsrechte vonnöten. Die §§ 96 Abs 1 Z 3 und 96a ArbVG sind schon aus diesem (verfassungsrechtlich nahegelegten Datenschutzanspruch) auch auf die Randbelegschaft Der Betriebsrat muss aktuell erkennen können, ob und welche Informationen über CrowdworkerInnen als Verhaltens- und Leistungsdaten ermittelt, aufgezeichnet und ausgewertet werden. Näheres siehe Kapitel „Datenschutz in der Gig-Economy“.

4. Ergebnis

Es drängen sich bei Betrachtung des Phänomens des Crowdsourcing von Arbeit, ganz gleich ob es in virtueller Form oder bei Haushalts- bzw Transportdienstleistungen betrieben wird, mehrere Fragen auf: Wo und wie sind die Grenzen für die Basisbegriffe Betrieb und ArbeitnehmerIn im Sinne des Betriebsverfassungsrechts zu ziehen, um in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt und insbesondere bei der Arbeit im virtuellen Raum Mitbestimmungsrechte gewährleisten zu können? Kann der österreichische Betriebsrat auch für externe oder extrem kurzzeitig und vielfach nur punktuell beschäftigte Arbeitskräftegruppen (arbeitnehmerInnenähnliche Belegschaften) zuständig sein? Muss eine gewisse Dichte und Dauer an Gigs – unter Umständen in Kombination mit Elementen des funktionalen ArbeitgeberInnen-Konzepts (siehe Kapitel „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“) – vorliegen, damit sich der Betriebsrat für CrowdworkerInnen einsetzen kann? Wenn der faktische, betriebseingliederungsbezogene ArbeitnehmerInnenbegriff des § 36 ArbVG maßgeblich ist, warum können dann nicht auch arbeitnehmerinnenähnliche Personen und fallweise Beschäftigte davon erfasst sein?

Zu diesen und anderen Fragen habe ich versucht, Antworten zu finden oder zumindest Lösungsmöglichkeiten auszuloten (insbesondere über Gesamtanalogien aus verwandten Rechtsentwicklungen zur Einbeziehung von Randbelegschaften). Zudem wurde versucht, die Möglichkeiten einer Interessenvertretung und selbstverwalteten Organisation aller von Crowdsourcing-Projekten betroffenen Beschäftigten und Belegschaften einer kollektiv-arbeitsrechtlichen Prüfung zu unterziehen.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt 4.0 führt uns dabei gewissermaßen an die historischen Wurzeln des kollektiven Arbeitsrechts zurück. Ebensowenig wie die vielzitierte und vielwiderlegte „unsichtbare Hand des Marktes“ wird eine „unsichtbare Hand der Plattformökonomie und des Gigwork-Arbeitsmarktes“ zu Interessen ausgleichenden Mechanismen und Ergebnissen führen können. Gerade in stark vereinzelnden und durch grobe Ressourcen- und Machtungleichgewichte gekennzeichneten Arbeitsmärkten bedarf es klarer rechtlicher Absicherungen der schwächeren VertragspartnerInnen; und zwar nicht nur im Vertrags-Rahmenrecht, sondern auch in ihren gemeinsamen, also kollektiven Interessenpositionen. Zufriedenstellende Verhandlungsmöglichkeiten sind in der gegenständlichen, digital geprägten Wirtschafts- und Arbeitsform rar; eine von beiden Vertragsseiten gewollte Übereinkunft über die Arbeitsbedingungen und das Entgelt (sowie annexe Aspekte wie Sozialversicherung, Steuern und Abgaben, Nebenkosten der Arbeit usw), also Privatautonomie im Wortsinne, wird wohl nur selten anzutreffen sein.

Vertragsfreiheit innerhalb von (kollektiv gestalteten) Rahmen-Regulatorien wäre hingegen ein Lösungsansatz, der sich im Arbeitsrecht kontinentaleuropäischer Prägung seit Jahrzehnten bewährt hat: Der Mittelweg zwischen völliger Verrechtlichung und völliger Privatautonomie gewissermaßen. Es bedarf zeit- und technikgemäßer Rechtsgrundlagen, um diesen goldenen Mittelweg zwecks „Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes“ iSd § 39 Abs 1 ArbVG weiterhin beschreiten zu können.

[1] § 33 bis § 134b, inklusive der Europäischen Betriebsverfassung bis § 263 ArbVG 1974.

[2] Zur Geschichte des ArbVG vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015) 31 ff.

[3] Näher zur Geschichte der Mitbestimmung siehe Müller-Jentsch auf der Website der Hans-Böckler-Stiftung, http://www.boeckler.de/20376_20381.htm (17.10.2016).

[4] Siehe dazu Risak, Individuelles und Kollektives im Betrieb, in Kietaibl/Schörghofer/Schrammel, Rechtswissenschaft und Rechtskunde (2014) 129 (133).

[5] Näher zu Judikatur und Lehre siehe im Abschnitt „Geltendes Recht: Kollektive Mitwirkung in der Gig-Economy“.

[6] OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 18; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 10. Nähere Ausführungen unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

[7] Vorausgesetzt sie sind nicht Gewerbetreibende. Näher Trost, Heimarbeit, DRdA 1992, 25; Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 39 f. Zum betriebsverfassungsrechtlichen Status siehe Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 36 Rz 11; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl (Hg) ArbVG § 36 Rz 14 f.

[8] Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 13 und 17 f; näher siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

[9] Damalige Begriffe und Prognosen (1987): „elektronische Heim- oder Fernarbeit, informationstechnisch gestützte Heimarbeit und Teleheimarbeit sind neue, gleichbedeutende Ausdrücke für eine sich langsam abzeichnende Trendwende zur Verrichtung von Arbeit aus der Ferne mithilfe von Kommunikationssystemen […] ins Treffen wird eine beachtliche Sachkostenreduktion (Gebäudekosten, Gerätekosten: nicht wenige Haushalte verfügen schon über Telefon, Farbfernseher mit Btx-Anschluß und Personalcomputer) geführt“ (Egger, DRdA 1987, 97).

[10] BGBl 394/1986.

[11] Siehe dazu auch den Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“; weiters Melzer-Azodanloo, Telearbeit in Österreich, juridikum 2007, 152.

[12] OGH 4 Ob 12/64, Arb 7935; VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25. Näher B. Gruber, Arbeitnehmerschutz bei Teleheimarbeit, ZAS 1998, 65, und besonders ausführlich Warter, Crowdwork (2016) 203 ff.

[13] Vgl zum Begriff der „Arbeitskraft“ neben § 3 Abs 4 AÜG auch § 1 DHG und § 50 ASGG.

[14] OGH 27.02.2014, 8 ObA 8/14f und 8 ObA 50/13f, ZAS 2014/51 (Ogriseg) = DRdA 2014/34 (Risak); näher Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014/41.

[15] Siehe Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ zum vom OGH in 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz) für arbeitsrechtlich ungültig (nichtig) erklärten Bedarf-Konsens-Prinzip („Rahmen-Beschäftigungsvertrag“) und zu anderen („Rahmenkonditionsvereinbarungen“) Formen fallweiser Beschäftigung. Ausführlicher Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 Rz 94 ff.

[16] EuGH 12.10.2004, C-313/02 – Peek&Cloppenburg.

[17] OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz).

[18] Siehe dazu Rebhahn, in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 55 ff mwN.

[19] OGH 9 ObA 63/87, DRdA 1988, 54; 9 ObA 22/91, Arb 10.908 ua; Obereder in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XV Rz 41.

[20] Näher Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/419 ff.

[21] Durch die im AuslBG und AÜG erfolgte Einbeziehung in das Angebot an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt, zum Zweck des Schutzes inländischer Arbeitsplätze bzw der Stammbelegschaft des BeschäftigerInnenbetriebs (vgl § 3 Abs 2 AÜG).

[22] OGH 4 Ob 106/55, Arb 6300; näher siehe Löschnigg Arbeitsrecht12 Rz 4/150 f.

[23] Vgl § 34 Abs 1 letzter HS ArbVG.

[24] Siehe die Gesetzgebungsmaterialien zu § 36 Abs 1 ArbVG in Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

[25] OGH 8 ObA 7/14h, ZAS 2015/44 (Sacherer).

[26] Nach den – oder nach dem Vorbild der – §§ 89 bis 112 ArbVG und weiteren Mitbestimmungsnormen im AZG, UrlG usw; aber unter Umständen auch nach einschlägigen KollV, denen VergeberInnenunternehmen (CrowdsourcerInnen) unterworfen sind.

[27] Vgl vor allem die §§ 38 und 39 ArbVG zu den Zielen, Zwecken und Grundsätzen der „Betriebsverfassung“.

[28] Siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

[29] Vgl die §§ 38–40 ArbVG sowie die Überschrift vor den Mitwirkungsbestimmungen der §§ 89–112: „Befugnisse der Arbeitnehmerschaft“.

[30] Aufgaben
§ 38. Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes haben die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern.
Grundsätze der Interessenvertretung
§ 39.
(1) Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist die Herbeiführung eines Interessenausgleiches zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes.
(2) Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes sollen bei Verwirklichung ihrer Interessenvertretungsaufgabe im Einvernehmen mit den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer vorgehen.
(3) Die Organe der Arbeitnehmerschaft haben ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebes zu vollziehen. Sie sind nicht befugt, in die Führung und den Gang des Betriebes durch selbständige Anordnungen einzugreifen. […]“

[31] Zu den unterschiedlichen Phänotypen der Gig-Economy siehe insbesondere Kapitel „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?“. Sollten sich in Zukunft weitere Formen etablieren, wäre es umso wichtiger, dass die unerlässlichen Gesetzesanpassungen – siehe Kapitel „Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?“ – im Abstraktionsgrad ihrer Formulierungen auch künftige Phänomene so weit als möglich erfassen. Umgehungen der kollektiven Mitwirkungsansprüche durch „neue Technik“ und/oder „neue Arbeitsorganisation“ sollen pro futuro möglichst ausgeschlossen sein.

[32] In der ca 1.500 ArbeitnehmerInnen umfassenden Belegschaft finden sich zahlreiche KollegInnen mit den Muttersprachen Polnisch, Englisch, Ungarisch, Italienisch, Spanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) ua.

[33] OGH 9 ObA 152/07d, DRdA 2009, 144 (Mayr) – ASFINAG; 9 ObA 193/95, DRdA 1996/22 (Runggaldier) – Austro-Control; ua.

[34] Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 34 Rz 8.

[35] OGH 8 Ob 15/95, RdW 1996, 71; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua. Näheres im Abschnitt „Ziele der Betriebsverfassung“.

[36] OGH 26.03.1997, 9ObA88/97z; OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 (2015) § 34 Rz 47.

[37] OGH 27.09.1995, 9 ObA 143/95; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 11 ff.

[38] Die Praxis hat in internationalen Konzernen gezeigt, dass sich hauptsächlich KonzernmitarbeiterInnen aus „Billiglohnländern“, etwa aus Indien, an Plattformausschreibungen und damit verbundenen „unbezahlten Vorarbeiten“ beteiligen.

[39] OGH 26.03.1997, 9 ObA 88/97z; 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näheres siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47.

[40] Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 14 ff.

[41] Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 34 Rz 8 und Rz 10.

[42] OGH 23.02.1994, 9 Ob A 311/93; näheres bei Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 17.

[43] Vgl Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 19 ff; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 18 f.

[44] OGH 12.10.1995, 8 Ob 15/95; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua.

[45] Auch in Deutschland ist der Gemeinschaftsbetrieb anerkannt und wird in stRsp folgendermaßen definiert: Wenn mehrere UnternehmerInnen ausdrücklich eine rechtliche Vereinbarung über die einheitliche Leitung des gemeinsamen Betriebs geschlossen hatten oder sich diese Vereinbarungen aus den Umständen des Einzelfalls ergibt (BAG 1998, NZA 98, 723), dann ist von einem Gemeinschaftsbetrieb auszugehen. Mit der Novelle 2001 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes 1972 (BetrVG) wurde in § 1 Abs 2 BetrVG zusätzlich eine Legalvermutung normiert, wonach einerseits bei gemeinsamer Zweckverfolgung durch mehrere UnternehmerInnen in einem Betrieb ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt und andererseits nach der Spaltung eines Unternehmens zwischen abgespaltenen bzw dem abspaltenden Unternehmen dann ein einheitlicher Gemeinschaftsbetrieb bestehen bleibt, wenn sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs nicht wesentlich ändert (näher siehe Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 [2016] § 1 Rz 88 ff).

[46] Strasser in Jabornegg/Strasser/Resch, ArbVG § 36 Rz 9.

[47] „Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.“

[48] Siehe dazu Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“.

[49] VwGH vom 26.1.1961, Arb 7322; siehe auch Gahleitner, in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 36 Rz 3.

[50] Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 1.

[51] Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 14 ff.

[52] Dazu und zum Reformpotenzial Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100.

[53] OGH 9 ObA 63/87, ZAS 1988, 95; 9 ObA 22/91, DRdA 1991, 352; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8.

[54] Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG (1975) 219–222; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 4.

[55] Die Übergangsbestimmung (Rechtswahrungs-Bestimmung) des Art III lautet wörtlich: „Durch das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bleibt der Begriff des regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters (§ 27 des Heimarbeitsgesetzes 1960) hinsichtlich der §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2, 52 Abs. 1, 117 Abs. 4, 124 Abs. 6, 125 Abs. 3 und 126 Abs. 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, unberührt.“ Die Regierungsvorlage führt dazu aus: „Zu Artikel III: Die Neufassung des § 27 bringt eine Erweiterung des Kreises jener Heimarbeiter, die Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben, mit sich. Da die im Arbeitsverfassungsgesetz vorgenommene Fixierung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Heimarbeiter beibehalten werden soll, muß der Begriff des ‚regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters‘ des derzeitigen § 27 für den Bereich des Arbeitsverfassungsgesetzes weiter in Geltung bleiben“ (ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 14).

[56] So ging etwa der OGH in 4 Ob 12/64, Arb 7935, von der Rechtsansicht ab, dass wegen des Fehlens der höchstpersönlichen Dienstleistungspflicht kein Arbeitsverhältnis vorliege. Das Höchstgericht qualifizierte Vereinbarungen, nach denen die Arbeit in der Wohnung verrichtet wird, als Arbeitsverhältnis, wenn bestimmte Arbeitsstunden einzuhalten sind und eine Kontrolle durch den/die ArbeitgeberIn vorliegt, die einem/einer Betriebszugehörigen entsprechend stattfindet. So auch VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25; zitiert nach Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/158 und besonders ausführlich dargestellt bei Warter, Crowdwork 203 ff.

[57] Kommentar zum ArbVG (1975) 217.

[58] Näher siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 14 f; vgl auch Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG (2008), § 49 Rz 4: Regelmäßige Beschäftigung bei Heimarbeitern: Im Fall von Heimarbeitsverhältnissen knüpft das Gesetz die Stimmberechtigung nach wie vor an das Vorliegen der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 27 HeimAG. Die Definition der regelmäßigen Beschäftigung in § 27 HeimAG wurde zwar durch die Novelle zum HeimAG vom 28.04.1975, BGBl 1975/303, beseitigt, für die begriffliche Abgrenzung im ArbVG ist sie aber weiterhin zu beachten (vgl Art III BGBl 1975/303). Für die Beurteilung der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 49 ArbVG muss wie bei den sonstigen Voraussetzungen der Tag der Belegschaftsversammlung herangezogen werden.

[59] Dazu die ErlRV 840 BlgNR 13. GP 74: „Der Sonderstellung der Heimarbeiter wird durch ausdrücklichen Ausschluss vom passiven Wahlrecht Rechnung getragen“.

[60] ErlRV 901 BlgNR 21. GP 5.

[61] AA Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 52 Rz 10. Wohl für die weiterhin bestehende Beschränkung beim aktiven Wahlrecht Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 6.

[62] Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 495 f.

[63] Noch die Regierungsvorlage (1482 BlgNR 13. GP 5 und 22) hatte sehr wohl diese Unterscheidung in § 27 Abs 1 HeimAG vorgesehen (mit dem Zusatz, dass schon bei drei Wochen innerhalb der letzten dreizehn Wochen ebenfalls Regelmäßigkeit gegeben gewesen wäre), aber im BGBl wurde § 27 HeimAG ohne jegliche Einschränkung verlautbart. Mit der HeimAG-Novelle 1992, BGBl I 836/1992, erhielt der zwischenzeitlich durch mehrere Novellen veränderte § 27 die Bezeichnung „§ 25“, womit ab 01.01.1993 die sieben Verweise auf „im Sinne des § 27 […] regelmäßig beschäftigt“ noch absurder wurden. Vgl den IA 420/A BlgNR 18. GP 1 und AB 842 BlgNR 18. GP 3.

[64] Inkrafttreten gemäß Art V Abs 1 BGBl 303/1975.

[65] Kletečka in Koziol/Welser13 Bd 1, 37. Hier wurde aber gerade kein neuer Tatbestand geschaffen, sondern bloß ein Verweis aus den im Übrigen unveränderten Tatbeständen entfernt, weil die Gesetzgebung diesen Verweis fälschlich für „obsolet“ hielt (auf die Bedeutung des Art III BGBl 303/1975 hatte der Gesetzgeber vermutlich vergessen). Die oben zitierten Gesetzesmaterialien aus 2010, die von „obsolet gewordene Verweisung auf § 27 Heimarbeitsgesetz 1960“ sprechen, sind zwar Quelle für die historische Interpretation (die gegenüber der teleologischen Interpretation weder vorrangig noch nachrangig ist) der Streichungen in sieben ArbVG-Paragrafen, teleologische Erwägungen führen meines Erachtens aber zu einem Ergebnis „contra Gesetzesmaterialien“.

[66] Als weiteres teleologisches und vor allem logisch-systematisches Argument der Interpretation jener sieben Gesetzesstellen des ArbVG, aus denen der wörtliche Verweis auf § 27 HeimAG (alt) beseitigt wurde, ist anzuführen, dass als Voraussetzung für das aktive Betriebsrat-Wahlrecht in § 52 Abs 1 ArbVG die Beschäftigung an zwei Stichtagen gegeben sein muss: am Tag der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands sowie am Tag der Betriebsratswahl. Die Zufälligkeit, dass ein/eine sehr selten beschäftigter/beschäftigte HeimarbeiterIn, die zB bloß an vier Halbtagen pro Jahr für ihren/ihre AuftraggeberIn arbeitet, an diesen beiden Tagen ihre „Halb-Arbeitstage“ hatte und nun aktiv wählen darf, kann als argumentum ad absurdum für die Auslegung der §§ 49, 50, 52, 117 und 124–126 ArbVG ins Treffen geführt werden. Ebenso absurd wäre ein Freistellungsanpruch des Betriebsrats gemäß § 117 Abs 1 ArbVG bei beispielsweise 30 StammarbeitnehmerInnen im Betrieb, aber 125 bloß sehr selten zuarbeitenden HeimarbeiterInnen.

[67] Das deutsche BetrVG regelt in § 5 Abs 1, dass ArbeitnehmerInneneigenschaft und aktives (§ 7) sowie passives (§ 8) Wahlrecht für jene HeimarbeiterInnen besteht, „die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten“. Bestimmend ist dafür das Verhältnis der Tätigkeit für den fraglichen Betrieb zur Tätigkeit für andere Betriebe (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 § 7 Rz 34).

[68] „Arbeitnehmer im Sinne des § 36 Abs 1 sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch Heimarbeiter. […] Die zweifellos vorhandene Sonderstellung der Heimarbeiter rechtfertigt nicht deren Ausnahme von der Betriebsverfassung, da ihre Interessen im grundsätzlichen nicht von den Interessen der übrigen Arbeitnehmer abweichen. Auf ihre Sonderstellung wird durch Beschränkung des Stimmrechts in der Betriebsversammlung (§ 49 Abs 1) und des aktiven Wahlrechts (§ 52 Abs 2), Ausschluss vom passiven Wahlrecht § 53 Abs 3 Z 3 ArbVG) und in der Weise Bedacht genommen, dass Heimarbeiter grundsätzlich nicht auf die für die Zahlengrenzen relevanten Beschäftigungszahlen angerechnet werden.“ (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt; ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 69 und 143; AB 1544 BlgNR 13. GP 143); siehe auch Lindmayr, Handbuch der Arbeitsverfassung (2015) 60; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36, nach dem Gesetzestext.

[69] Vgl § 53 Abs 5 und Abs 6 ArbVG.

[70] VwGH 606/66, Arb 8256; VwGH 0598/72, VwSlg 8406 (A); siehe auch FN 7 und 35.

[71] VwGH 27.10.1972, 0835/72; eingehend Ritzberger-Moser/Widorn, HeimAG 1960 (1995) 15 ff; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 15; besonders ausführlich Warter, Crowdwork 203 ff (226).

[72] Zöchling-Jud in Torggler, UBG2, § 381 Rz 2, zitiert nach Warter, Crowdwork 229 ff.

[73] Floretta/Strasser aaO 222. Vgl zu diesen „Gruppenarbeitsverhältnissen“ auch Löschnigg, AR12 221 f.

[74] Bei nur sehr vereinzelten und kurzen, nicht dauerhaften Zuarbeiten wäre es unverständlich und mit dem Telos der „Betriebsdemokratie“ nicht vereinbar, wenn eine unüberschaubar große Zahl an „externen ZuarbeiterInnen“ Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen stark beeinflussen oder gar dominieren könnte.

[75] Zu sozialversicherungsrechtlichen Aspekten dieser Beschäftigungsform siehe Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“. Diese Bestimmung tritt freilich am 31.12.2017 außer Kraft.

[76] OGH 08.08.2002, 8 ObA 277/01w, DRdA 2002, 505 (Mosler); 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz).

[77] OGH 8 ObA 87/10t, Arb 13.011.

[78] OGH 8 ObA 32/13h, 8 ObA 50/13f, 8 ObA 8/14f; 9 ObA 153/13k, 9 ObA 154/13g; wenn auch in den Diskothek-Fällen nach einem gewissen „Dienstplan“, der aber seitens der Arbeitskräfte problemlos verändert werden konnte. Wie M. Friedrich (ASoK 2006, 12), Ogriseg (ZAS 2014/51) und Mosing (ZAS 2014/41) festhalten, differenziert der OGH nach der „Dichte“ der tatsächlichen Inanspruchnahme der ArbeitnehmerInnen, also nach der Frequenz der Arbeitseinsätze.

[79] OGH 28.08.1997, 8 ObA 2347/96x.

[80] OGH 8 ObA 277/01w, DRdA 2002/48 (Mosler).

[81] OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz).

[82] Dies ist in Unternehmen, die typischerweise viele Teilzeitbeschäftigte im Stammpersonal führen, gar nicht so viel.

[83] Im Unterschied zu HeimarbeiterInnen sind Pool-ArbeitnehmerInnen ja tatsächlich (fallweise) vor Ort im Betrieb tätig; deshalb muss die Analogie zu § 27 HeimAG (alt) bzw ein Analogieschluss aus Art III BGBl 303/1975 hier meines Erachtens anders ausfallen.

[84] Strasser in Jabornegg/Resch/Strasser, ArbVG § 33 Rz 17.

[85] OGH 9 ObA 88/97z, DRdA 1998, 183 (Hoyer); siehe auch Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47 und § 36 Rz 18; Kallab in ZellKomm2 § 49 Rz 3 f.

[86] Lediglich § 111 Abs 2 ArbVG sieht für den Fall eines laufenden Branchen-Schlichtungskommissions-Verfahrens aufgrund Einspruchs des Betriebsrats ein maximal vierwöchiges Stillhaltegebot des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin vor, falls dieser/diese eine Betriebsstilllegung plant.

[87] Näher siehe Öhlinger, Verfassungsrechtliche Probleme der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen (1982); Pernthaler, Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung (1984).

[88] Es liegen zwar meines Erachtens die zustimmungspflichtigen Maßnahmen der „Veränderung allgemeiner Grundsätze der Geschäftspolitik” gemäß § 30j Abs 5 Z 8 GmbHG oder bei groß angelegtem Crowdsourcing auch die „Aufgabe von Geschäftszweigen und Produktionsarten“ (Z 7 leg cit) vor, mit bloß einem Drittel der Stimmen können aber die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen im Aufsichtsrat gegen die Mehrheit der deutschen Mutter-Stimmen nichts verhindern.

[89] Klebe, Workers of the crowd unite?, in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft (2015) 278 ff. EU-rechtlich vgl insbesondere Art 4 RL 2002/14/EG, Art 7 RL 2001/23/EG und Art 2 RL 98/59/EG.

[90] Resch in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 108 Rz 38; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 108 Rz 27,

[91] § 109 Rz 5; in diesem Sinne auch OGH 9 ObA 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger) – Mystery Flyer.

[92] OGH 9 Ob A 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger); siehe auch Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 91 Rz 8 ff.

[93] Weil individuelles Nachgeben und Verzichten mittelbar zu kollektiven Verschlechterungen führen könnte.

[94] Ausführlich Binder, AVRAG2 § 3 Rz 41 ff.

[95] Erst nach Einsicht in die Verträge mit den CrowdworkerInnen kann deren rechtlicher Beschäftigungsstatus überprüft werden. Ob der Betriebsrat in Arbeitsverträge Einsicht nehmen kann, ist strittig; siehe dazu Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 89 Rz 7.

[96] Nicht Höchst- oder Gesamtarbeitszeit; vgl §§ 3 und 4 AZG: Nach dem – mittels Kollektivvertrag allerdings flexibilisierbaren – Grundprinzip bilden acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich die Normalarbeitszeit.

[97] Die Betriebsverfassung zielt ganz allgemein auf eine Abschwächung der „Alleinherrschaft“ der BetriebsinhaberInnen beim Arbeitsvollzug ab und möchte eine (bescheidene) Demokratisierung des Arbeitslebens herbeiführen (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, Einleitung XLVI und XLVII); dies gilt für prekarisierte Randbelegschaften zumindest ebenso wie für relativ stabilisierte Stammbelegschaften.

[98] Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre (2005) 67 f. Siehe die Abschnitte „Die betriebsverfassungsrechtliche Einbeziehung von Randbelegschaften“, „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ sowie „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

[99] Nicht nur beim Betriebs- und ArbeitnehmerInnenbegriff, sondern auch bei vielen weit formulierten Mitwirkungs- und speziell bei Betriebsvereinbarungstatbeständen.

[100] Vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 Einleitung 43 f mwN.

[101] ArbeitnehmerInnen schulden nach einhelliger Ansicht das Bemühen um Arbeitsergebnisse, nicht aber den Erfolg; daher sind ihre Wettbewerbs-Vorarbeiten nach der jeweils für den Betrieb oder das Unternehmen geltenden, lohngestaltenden Vorschrift abzugelten. Vgl Warter, Crowdwork, 267.

[102] Die mittlerweile auch gemeinschaftsrechtlich aufgrund der Leiharbeits-RL 2008/104/EG nötig wären.

[103] § 16 ABGB wäre insoweit zu konkretisieren.